Carlos Castaneda - Eine andere Wirklichkeit.do - Sapientia
Carlos Castaneda - Eine andere Wirklichkeit.do - Sapientia
Carlos Castaneda - Eine andere Wirklichkeit.do - Sapientia
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
durch das die Teilnehmer zur Übereinstimmung gelangen.<br />
Es war später Nachmittag, als wir aufbrachen; die Sonne stand knapp über dem<br />
Horizont. Ich spürte sie im Genick und wünschte, ich hätte eine Jalousie am<br />
Rückfenster meines Wagens. Von der Höhe eines Berges blickte ich in ein weites Tal<br />
hinab; die Straße zog sich wie ein schwarzes Band durch den Talkessel und führte<br />
über unzählige kleinere Berge hinauf und hinab. <strong>Eine</strong>n Augenblick, bevor die Straße<br />
sich bergab neigte, verfolgte ich sie mit den Augen; sie zog sich nach Süden hin,<br />
bevor sie sich in der Ferne hinter einer Reihe niedriger Berge verlor.» Don Juan saß<br />
schweigend neben mir und blickte gradaus. <strong>Eine</strong> ganze Weile schon hatten wir kein<br />
Wort miteinander gewechselt. Im Innern des Wagens war es unangenehm heiß. Ich<br />
hatte alle Fenster geöffnet, <strong>do</strong>ch das half nicht, denn es war ein extrem heißer Tag.<br />
Ich war verärgert, nervös und beklagte mich über die Hitze. Don Juan runzelte die<br />
Stirn und sah mich spöttisch an.<br />
»In dieser Jahreszeit ist es überall in Mexiko heiß«, sagte er. »Dagegen kann man<br />
nichts machen.«<br />
Ich schaute ihn nicht an, aber ich wußte, daß er mich anstarrte. Unsere Fahrt wurde<br />
schneller, denn es ging bergab.<br />
Undeutlich nahm ich ein Verkehrszeichen wahr, Va<strong>do</strong> — Bodenwelle. Als ich die<br />
Bodenwelle tatsächlich sah, fuhren wir ziemlich schnell, und obwohl ich abbremste,<br />
spürten wir die Erschütterung und wurden auf unseren Sitzen durchgeschüttelt. Ich<br />
verringerte die Fahrt erheblich; wir fuhren durch eine Gegend, wo beiderseits der<br />
Straße Vieh frei graste, eine Gegend, wo der Kadaver eines von einem Auto<br />
überfahrenen Pferdes oder einer Kuh ein gewohnter Anblick war. Einmal mußte ich<br />
ganz anhalten, um einige Pferde die Straße überqueren zu lassen. Ich wurde noch<br />
unruhiger und nervöser. Ich sagte Don Juan, das sei die Hitze; ich erzählte ihm, daß<br />
ich Hitze, seit meiner Kindheit, schon immer verabscheut hatte, weil ich im Sommer<br />
immer zu ersticken glaubte und kaum Luft bekam.<br />
»Du bist jetzt kein Kind mehr«, sagte er. »Die Hitze bringt mich noch immer in<br />
Atemnot.« »Und als ich ein Kind war, brachte mich der Hunger in Atemnot«, sagte er<br />
leise. »Sehr hungrig sein, das war das einzige, was ich als Kind kannte, oft bin ich<br />
vor Hunger so angeschwollen, daß ich kaum noch atmen konnte. Aber das war<br />
damals, als ich ein Kind war. Jetzt passiert es mir nicht mehr, daß ich in Atemnot<br />
gerate oder aufschwelle wie eine Kröte, wenn ich hungrig bin.«<br />
Ich wußte nichts zu sagen. Ich merkte, daß ich mich in eine unhaltbare Position<br />
Seite 40