Carlos Castaneda - Eine andere Wirklichkeit.do - Sapientia
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würde ich dir nicht empfehlen. Das ist der Grund, warum ich dich so viele Fragen<br />
stellen lasse, wie du nur willst. Wenn ich dir befehlen würde, mit deinen Fragen<br />
aufzuhören, dann würdest du durch deine Bemühungen vielleicht deinen Willen<br />
verbiegen. Sich etwas zu versagen ist bei weitem die schlimmste Form des<br />
Sichgehenlassens; es zwingt uns zu glauben, wir täten große Dinge, während wir in<br />
<strong>Wirklichkeit</strong> nur auf uns selbst fixiert sind. Aufhören Fragen zu stellen, ist nicht der<br />
Wille, von dem ich rede. Wille ist eine Macht. Und da er eine Macht ist, muß er<br />
kontrolliert und gesteuert werden, und das erfordert Zeit. Ich weiß das, und ich habe<br />
Geduld mit dir. Als ich in deinem Alter war, war ich genauso stürmisch wie du. Aber<br />
ich habe mich gewandelt. Unser Wille arbeitet, auch wenn wir uns gehenlassen. Zum<br />
Beispiel öffnet dein Wille bereits nach und nach deine Öffnung.«<br />
»Über welche Öffnung sprichst du?«<br />
»Wir haben eine Öffnung; ähnlich der weichen Stelle auf dem Kopf eines Kindes, die<br />
sich mit zunehmendem Alter schließt, so öffnet sich diese Öffnung, indem man<br />
seinen Willen entwickelt.«<br />
»Wo ist diese Öffnung?«<br />
»An der Stelle deiner leuchtenden Fasern«, sagte er und deutete auf seinen<br />
Unterleib. »Wie ist sie? Wozu ist sie da?«<br />
»Es ist eine Spalte. Sie erlaubt dem Willen hervorzuschießen wie ein Pfeil.«<br />
»Ist der Wille ein Gegenstand oder wie ein Gegenstand?« »Nein. Ich habe das nur<br />
gesagt, damit du es verstehst. Was ein Zauberer Wille nennt, ist eine Macht in uns.<br />
Es ist weder ein Gedanke noch ein Gegenstand noch ein Wunsch. Aufhören Fragen<br />
zu stellen, ist nicht Wille, weil dazu ein Gedanke und ein Wunsch notwendig sind.<br />
Der Wille ist das, was bewirkt, daß du gewinnen kannst, wenn dein Denken dir sagt,<br />
daß du besiegt wirst. Der Wille ist das, was dich unverletzlich macht. Der Wille ist<br />
das, was einen Zauberer durch eine Wand, durch den Raum und, wenn er will, auf<br />
den Mond führt.« Es gab nichts mehr, was ich fragen wollte. Ich war müde und<br />
irgendwie angespannt. Ich befürchtete, daß Don Juan mich auffordern würde,<br />
abzufahren, und das ärgerte mich. »Laß uns in die Berge gehen«, sagte er<br />
unvermittelt und stand auf.<br />
Unterwegs begann er wieder über den Willen zu sprechen und lachte über meine<br />
Bestürzung darüber, daß ich keine Notizen machen konnte. Er beschrieb den Willen<br />
als eine Kraft, die das wahre Bindeglied zwischen den Menschen und der Welt sei.<br />
Er legte besonderen Nachdruck auf die Feststellung, daß die Welt all das sei, was wir<br />
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