Carlos Castaneda - Eine andere Wirklichkeit.do - Sapientia
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Wächter zu vergessen. Diese Feststellung und meine Bestürzung schienen ihn zu<br />
belustigen.<br />
»Ich habe dir <strong>do</strong>ch gesagt, daß du dich nur verwirrst, wenn du redest«, sagte er und<br />
lachte. »Aber wenigstens weißt du jetzt, daß du auf deinen Willen wartest. Du weißt<br />
immer noch nicht, was das ist oder wie du ihn entdecken wirst. Darum beobachte<br />
sorgfältig alles, was du tust. Das, was dir helfen könnte, deinen Willen zu entwickeln,<br />
ist irgendeines der vielen kleinen Dinge, die du normalerweise tust.«<br />
Den ganzen Morgen über blieb Don Juan fort; er kehrte am frühen Nachmittag mit<br />
einem Büschel trockener Pflanzen zurück. Er gab mir mit einer Kopfbewegung zu<br />
verstehen, daß ich ihm helfen sollte, und wir beschäftigten uns stundenlang in<br />
völligem Schweigen damit, die Pflanzen zu sortieren. Als wir fertig waren, setzten wir<br />
uns hin um auszuruhen, und er lächelte mir wohlwollend zu.<br />
Ich setzte ihm ernsthaft auseinander, daß ich, nachdem ich meine Notizen<br />
durchgesehen hatte, immer noch nicht verstand, was es bedeutete, ein Krieger zu<br />
sein, und was der Begriff des Willens beinhaltete.<br />
»Wille ist kein Begriff«, sagte er.<br />
Dies war das erstemal, daß er an diesem Tag mit mir sprach. Nach einer langen<br />
Pause fuhr er fort: »Wir sind verschieden, du und ich. Wir haben nicht den gleichen<br />
Charakter. Dein Wesen ist gewalttätiger als meines. Als ich in deinem Alter war, war<br />
ich nicht gewalttätig, sondern bösartig. Bei dir ist es umgekehrt. Mein Wohltäter war<br />
so wie du. Er hätte sehr gut dein Lehrer sein können. Er war ein großer Zauberer,<br />
aber er konnte nicht sehen. Nicht so wie ich sehe oder wie Genaro sieht. Mein Sehen<br />
l aßt mich die Welt verstehen und führt mein Leben. Mein Wohltäter dagegen mußte<br />
leben wie ein Krieger. Wenn ein Mann sieht, dann braucht er nicht wie ein Krieger<br />
oder sonstwie zu leben, dann kann er die Dinge sehen, wie sie wirklich sind, und<br />
kann sein Leben darauf einrichten. Aber angesichts deines Charakters möchte ich<br />
sagen, daß du vielleicht nie lernen wirst zu sehen, und in diesem Fall wirst du dein<br />
ganzes Leben wie ein Krieger leben müssen. Mein Wohltäter sagte, ein Mensch, der<br />
sich auf den Weg der Zauberei begibt, erkennt nach und nach, daß das normale<br />
Leben für immer hinter ihm liegt, daß das Wissen tatsächlich eine beängstigende<br />
Sache ist, daß er sich nicht mehr durch die Mittel der normalen Welt schützen kann<br />
und daß er eine neue Art zu leben lernen muß, wenn er überleben will. Das erste,<br />
was er an diesem Punkt tun sollte, ist zu versuchen, ein Krieger zu werden, und dies<br />
ist eine sehr wichtige Entscheidung. Die beängstigende Eigenart des Wissens läßt<br />
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