23.06.2014 Aufrufe

Carlos Castaneda - Eine andere Wirklichkeit.do - Sapientia

Carlos Castaneda - Eine andere Wirklichkeit.do - Sapientia

Carlos Castaneda - Eine andere Wirklichkeit.do - Sapientia

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Willen zu bemühen, ob du es willst oder nicht.« »Wie bemüht sich ein Krieger<br />

darum?« Don Juan dachte lange nach, ehe er antwortete. »Ich glaube, es ist nicht<br />

möglich, darüber zu sprechen«, sagte er schließlich. »Besonders nicht über den<br />

Willen. Der Wille ist etwas ganz Besonderes. Er kommt auf geheimnisvolle Weise. Es<br />

ist wirklich unmöglich zu beschreiben, wie man ihn einsetzt, ich kann nur so viel<br />

sagen, daß die Ergebnisse, wenn man sich des Willens bedient, sehr erstaunlich<br />

sind. Als erstes sollte man vielleicht wissen, daß man den Willen entwickeln kann.<br />

Ein Krieger weiß das und ist darum bereit, darauf zu warten. Dein Fehler ist, daß du<br />

nicht weißt, daß du auf deinen Willen wartest.<br />

Mein Wohltäter sagte mir, daß ein Krieger weiß, daß er wartet, und weiß, worauf er<br />

wartet. In deinem Fall weißt du, daß du wartest. Du bist jetzt schon Jahre bei mir,<br />

aber du weißt nicht, worauf du wartest. Für einen Durchschnittsmenschen ist es sehr<br />

schwierig, wenn nicht unmöglich, zu wissen, worauf er wartet. Ein Krieger hingegen<br />

hat keine Schwierigkeiten. Er weiß, daß er auf seinen Willen wartet.« »Was genau ist<br />

der Wille? Ist er Entschlossenheit, wie zum Beispiel der Entschluß deines Enkels<br />

Lucio, ein Motorrad zu besitzen?«<br />

»Nein«, sagte Don Juan leise und schmunzelte. »Das ist nicht der Wille. Lucio läßt<br />

sich nur gehen. Der Wille ist etwas <strong>andere</strong>s, etwas sehr Klares und Mächtiges, das<br />

unsere Handlungen leiten kann. Der Wille ist etwas, das ein Mann zum Beispiel<br />

einsetzt, um eine Schlacht zu gewinnen, die er nach allen Berechnungen verlieren<br />

mußte.«<br />

»Dann muß Wille das sein, was wir Mut nennen«, sagte ich. »Nein, Mut ist etwas<br />

<strong>andere</strong>s. Mutige Männer sind zuverlässige, edle Männer, ständig umgeben von<br />

Leuten, die sie bewundern. Aber nur wenige mutige Männer haben den Willen. Für<br />

gewöhnlich sind sie furchtlose Männer, denen es gegeben ist, tapfere Taten zu<br />

vollbringen, die im Bereich der menschlichen Vernunft liegen; meistens ist ein<br />

mutiger Mann auch furchtbar und wird gefürchtet. Wille dagegen hat mit<br />

erstaunlichen Taten zu tun, die unserer menschlichen Vernunft trotzen.«<br />

»Ist der Wille die Kontrolle, die wir über uns selbst haben können?« fragte ich.<br />

»Man könnte sagen, daß er eine Art Kontrolle ist.« »Glaubst du, ich kann meinen<br />

Willen üben, indem ich mir zum Beispiel bestimmte Dinge versage?« »Zum Beispiel<br />

das Fragen stellen?« warf er ein. Er sagte dies in so schadenfrohem Ton, daß ich<br />

aufhörte zu schreiben und ihn anschauen mußte. Wir lachten beide. »Nein«, sagte<br />

er. »Wenn du dir etwas versagst, so ist das ein Sichgehenlassen, und so etwas<br />

Seite 127

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!