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Carlos Castaneda - Eine andere Wirklichkeit.do - Sapientia

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Unterbrechung willkommen, denn ich war völlig desorientiert. Ich erkannte mich<br />

selbst nicht wieder. Don Genaro machte etwas mit mir, das mich hinderte, meine<br />

Gedanken so zu formulieren, wie ich es gewohnt war. Das wurde mir deutlich, als ich<br />

mich unterwegs hinsetzte. Automatisch hatte ich die Uhrzeit festgestellt, hatte mich<br />

hingesetzt und war still geblieben, als sei mein Kopf ausgeschaltet. Aber ich saß <strong>do</strong>rt<br />

in einem nie zuvor gekannten Zustand der Wachsamkeit. Es war eine Art<br />

Gedankenlosigkeit, fern jeglicher Besorgnis. Während dieser Zeit schien die Welt in<br />

einer merkwürdigen Balance zu sein. Es gab nichts, was ich hätte hinzufügen, nichts,<br />

was ich hätte abziehen können. Als wir das Haus erreichten, rollte Don Genaro eine<br />

Strohmatte aus und wir gingen schlafen.<br />

Am nächsten Tag drängte es mich, Don Juan meine Erlebnisse zu erzählen. Er ließ<br />

mich nicht zu Wort kommen.<br />

18. Oktober 1970<br />

»Ich glaube, ich weiß, was Don Genaro gestern abend tun wollte«, sagte ich zu Don<br />

Juan.<br />

Ich sagte das, um ihn aus der Reserve zu locken. Seine permanente Weigerung, zu<br />

sprechen, machte mich nervös. Don Juan lächelte und nickte langsam mit dem Kopf,<br />

als stimme er dem, was ich gesagt hatte, zu. Ich hätte seine Gebärde als Bestätigung<br />

aufgefaßt, wenn nicht dieses seltsame Blitzen in seinen Augen gewesen wäre. Es<br />

war, als lachten seine Augen mich aus.<br />

»Du glaubst nicht, daß ich es versteh, nicht wahr?« fragte ich auftrumpfend.<br />

»Ich nehme an, du verstehst... ja, du verstehst, wirklich. Du begreifst, daß Genaro die<br />

ganze Zeit hinter dir war. Doch auf das Verstehen kommt es nicht wirklich an.« Seine<br />

Feststellung, daß Don Genaro die ganze Zeit hinter mir gewesen war, schockierte<br />

mich. Ich bat ihn, mir das zu erklären. »Dein Sinn ist nur darauf aus, die eine Seite<br />

der Sache zu sehen«, sagte er.<br />

Er nahm einen trockenen Zweig und bewegte ihn in der Luft. Er zeichnete nicht in der<br />

Luft, sondern machte mit dem Zweig dieselben Bewegungen, die er sonst mit den<br />

Fingern macht, wenn er die Spreu aus einem Haufen Samen aussortiert. Die<br />

Bewegung mit dem Zweig glich einem leichten Stochern oder Kratzen in der Luft.<br />

Er wandte sich mir zu und sah mich an, und ich hob mit einer Geste der Verlegenheit<br />

die Schultern. Er rückte näher und wiederholte seine Bewegungen, wobei er acht<br />

Punkte auf dem Boden einzeichnete. Er schlug einen Kreis um den ersten Punkt.<br />

Seite 226

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