Carlos Castaneda - Eine andere Wirklichkeit.do - Sapientia
Carlos Castaneda - Eine andere Wirklichkeit.do - Sapientia
Carlos Castaneda - Eine andere Wirklichkeit.do - Sapientia
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
sagte er ernst. »Es geht mir um etwas <strong>andere</strong>s. Der Grund, warum du nicht lernen<br />
willst, ist nicht deine Angst. Es ist etwas <strong>andere</strong>s.« Ich bestürmte ihn, mir zu sagen,<br />
was es sei. Ich bat ihn eindringlich, aber er sagte nichts; er schüttelte seinen Kopf,<br />
als könnte er nicht glauben, daß ich es nicht wußte. Ich sagte ihm, vielleicht sei es<br />
die Trägheit, die mich vom Lernen abhielt. Er fragte mich nach der Bedeutung des<br />
Wortes Trägheit. Ich las ihm aus meinem Lexikon vor: »Die Neigung der Materie, in<br />
Ruhe zu bleiben, wenn sie sich in Ruhe befindet, oder, wenn sie in Bewegung ist, in<br />
derselben Richtung in Bewegung zu bleiben, sofern keine äußere Kraft hinzutritt.«<br />
»Sofern keine äußere Kraft hinzutritt«, wiederholte er. »Das ist das beste, was du<br />
gesagt hast. Ich sagte dir schon, nur ein Verrückter würde versuchen, auf eigene<br />
Faust ein Wissender zu werden. Ein nüchtern denkender Mensch muß dazu<br />
überlistet werden.«<br />
»Ich bin sicher, daß Tausende sich mit Begeisterung darum bemühen würden«,<br />
sagte ich.<br />
»Ja, aber die zählen nicht. Die haben meistens einen Sprung. Sie sind wie<br />
Flaschenkürbisse, von außen schön anzusehen und trotzdem undicht, sobald man<br />
sie belastet, sobald man sie mit Wasser füllt.«<br />
»Einmal habe ich dich bereits zum Lernen überlistet, genau wie mein Wohltäter mich<br />
überlisten mußte. Sonst hättest du nicht soviel gelernt, wie du es getan hast.<br />
Vielleicht ist es an der Zeit, dich nochmals zu überlisten.«<br />
Die List, auf die er anspielte, war einer der wichtigsten Augenblicke meiner Lehrzeit<br />
gewesen. Das lag Jahre zurück, <strong>do</strong>ch in meinem Gedächtnis war es so lebendig, als<br />
sei es heute gewesen. Durch ein sehr geschicktes Manöver hatte Don Juan mich<br />
damals zu einer direkten und beängstigenden Konfrontation mit einer Frau<br />
gezwungen, die im Ruf stand, eine Zauberin zu sein. Der Zusammenstoß führte bei<br />
ihr zu einer tiefen Feindschaft. Don Juan nützte meine Furcht vor der Frau aus, um<br />
mich zu einer Fortsetzung der Lehrzeit zu bewegen, indem er behauptete, ich mußte<br />
mehr über die Zauberei lernen, um mich gegen ihre magischen Angriffe zu schützen.<br />
Die Ergebnisse seiner »List« waren schließlich so überzeugend, daß ich aufrichtig<br />
glaubte, es bliebe mir nichts <strong>andere</strong>s übrig, als soviel wie möglich zu lernen, wenn<br />
ich am Leben bleiben wollte. »Wenn du wieder vorhast, mich mit Hilfe dieser Frau in<br />
Panik zu versetzen, dann werde ich einfach nicht mehr wiederkommen«, sagte ich.<br />
Don Juans Lachen klang sehr belustigt. »Mach dir keine Sorgen«, sagte er<br />
beruhigend. »<strong>Eine</strong> List, die an deine Furcht appelliert, wirkt bei dir nicht mehr. Du<br />
Seite 25