Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Kombattanten vorgelebt hatten. In Ruhe nehmen wir das Abendbrot ein, und wieder gibt ein<br />
Wort das andere. Wenn unser Meinungsaustausch eine Konsultation oder ein Dienstgespräch<br />
gewesen wäre, von einem Verhör ganz zu schweigen, hätte das Ergebnisprotokoll zumindest<br />
folgende Punkte festgehalten:<br />
Der Unterzeichnete erkennt den Ernst der Lage und seine labile körperliche und seelische<br />
Verfassung. Er erklärt sich bereit, auf die gestrige Grenzsituation mit mehrwöchiger<br />
freiwilliger Schonung zu reagieren. Dazu wird das Arbeitspensum am Roman auf eine<br />
Dreiviertelstunde (45 Minuten) am Tag begrenzt. Stimulanzien in jeder Form sind abzusetzen.<br />
Die gewonnene Zeit wird für körperliche Ertüchtigung (Spazierengehen, Radfahren,<br />
Schwimmen etc.) genutzt, die Ernährung auf eine regelmäßige, schmackhafte, obst- und<br />
gemüsereiche Selbstversorgung umgestellt. Inner- und außerfamiliäre Streßfaktoren sind zu<br />
minimieren. Im Fall von Verwandten ersten Grades erscheint dabei das erneute Einfrieren der<br />
Kontakte legitim, bei Nichten und Neffen ist auf eine eigeninitiative Problembewältigung<br />
der/des Betroffenen und die Selbstheilungskräfte jugendlicher Vitalität zu setzen.<br />
Ich erstatte meiner Samariterin ihre Unkosten und verspreche regelmäßige Rückmeldung,<br />
weil sie mich sonst jenen Kollegen zu überantworten droht, die von Tiermedizin keine<br />
Ahnung haben und nichts für Pegasus tun können. Zum Abschied glaube ich, ihr eine<br />
Umarmung schuldig zu sein, bei der ich fast unter ihrer Achselhöhle hindurchtauchen kann.<br />
Aber statt des Fingers will sie die ganze Hand, d.h. nicht nur die Küche, sondern auch die<br />
anderen Zimmer in Augenschein nehmen. Da geht mir auf, daß sie nicht aus Besorgnis<br />
gekommen ist, nicht aus Freundschaft mit dem Zug zurückfährt und daß auch der Eid des<br />
Hippopotamus, oder was Veterinäre sonst ablegen, sie nicht umtreibt. Wem ich jetzt die<br />
Türen weitmache, das ist vielmehr die Quartiermacherin für die Lädierten, die vom Himmel<br />
hoch kommen, und wenn ich nicht höllisch aufpasse, habe ich danach die halbe Marburger<br />
Apus apus-Brut am Hals.<br />
Wir sind eben wieder im Flur angekommen, als es klingelt. Vor der Tür steht die Polizei,<br />
diesmal in echt: uniformlos zwar, dafür aber mit Dienstausweis. Ob man mir ein paar Fragen<br />
stellen dürfe? Ich habe nichts zu verbergen - außer meiner ostentativ am Haken prangenden<br />
Holzfällerjacke. Wie die Mauersegler kurven wir zurück in die Küche.<br />
Betty, die sich als befreundete Ärztin vorgestellt hat, weist nachdrücklich auf meinen<br />
angegriffenen Gesundheitszustand hin. Der Mann verspricht, es kurz zu machen. Ob Frau<br />
Elisabeth <strong>Horstmann</strong>, die man in Amtshilfe für die St. Moritzer Kollegen einvernehmen<br />
möchte, hier wohne, denn gemeldet sei sie ja noch anderswo.<br />
"Nicht mehr", sage ich.<br />
100