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Lesen - Ulrich Horstmann

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Wohl wahr, denn Heinrich Wilhelm <strong>Horstmann</strong> - wie auf dem Etikett in Aussicht gestellt,<br />

gänzlich schmerzfrei - ist nicht mehr von dieser Welt, wird aber durch eine kleine<br />

Handreichung gleich wieder Anschluß finden.<br />

"Zur Erinnerung, Hinnak", sagt der andere Schwager, der sich nicht stadtfein gemacht<br />

hat, weil er "für so einen die Holzschuhe nicht auszieht", zu seinem Taschenmesser.<br />

Butterweich klappt es auf. "Und immer, wenn du auftauchst, ein Stückchen mehr. Und dann<br />

auf nüchternen Magen."<br />

Die Kinder hören den Schrei. Dann sitzen die drei Onkel nebeneinander auf den<br />

Wagenbock, der Gaul zieht an und trottet mit nervös spielenden Ohren direkt in die<br />

Gewitterfront hinein.<br />

Der Schlampe haben sie etwas Bleiches, Wächsernes in die Schürzentasche gesteckt und<br />

sie mit einer unwirschen Handbewegung nach oben geschickt. Während draußen die ersten<br />

schweren Tropfen fallen und die Kinder unter dem Stroh enger aneinanderkriechen, wickelt<br />

sie eine in Streifen gerissene alte Windel um das, was von dem kleinen Finger des Witwers<br />

noch an Ort und Stelle ist.<br />

XX.<br />

Die Anstiftung zur Apartheid scheint trotzdem nicht auf Anhieb gefruchtet zu haben, wie sich<br />

dem Buch, das angestaubt auf dem Schreibtisch meines Arbeitszimmers liegt, schon mit einer<br />

billigen Lupe entnehmen läßt. Bei der Publikation handelt es sich um die Firmengeschichte<br />

der Pfotenlecker, bei denen mein Urgroßvater zum Zeitpunkt der Katastrophe in Brot und<br />

Arbeit war oder, um mich selbst ebenso zur Ordnung zu rufen wie die Studenten aus meinem<br />

ersten Leben, mit vollständigen bibliographischen Angaben, um Stefan Wiesekopsieker,<br />

Hoffmann's Stärkefabriken in Salzuflen. Unternehmer, Belegschaft und betriebliche<br />

Sozialpolitik 1850-1914. Lippische Studien Bd. 21. Lemgo: Institut für Lippische<br />

Landeskunde 2005.<br />

In der Zeit zwischen den Schüben, als ich über meinen zehn Jahre alten Aufzeichnungen<br />

saß, die mir ein paradoxaler Effekt von Zyprexa bebilderte, hatte ich mich wieder an den<br />

Salzufler Archivar Meyer gewandt, um Genaueres über den Stärke-Produktionsprozeß im<br />

späten 19. Jahrhundert in Erfahrung zu bringen. Er vertröstete mich damals auf die<br />

'erschöpfende' Darstellung eines jungen und mit ihm befreundeten Historikers, die in<br />

Vorbereitung sei und die er mir nach Erscheinen - gegen Rechnung - gern zugänglich machen<br />

wolle. Monate gingen ins Land. Mein Verknüpfungswahn feierte sein Comeback. Zyprexa<br />

mußte das Feld zugunsten von Risperdal räumen, Risperdal Haldol Platz machen, bevor der<br />

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