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Lesen - Ulrich Horstmann

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ich Moloko, Palala und die dann doch vorzeigbareren Hirnströme des Limpopo vor dem<br />

Schlimmsten bewahren konnte, belasteten mich nicht mehr. Nur mit dem, was ich auf dem<br />

Leibe trug, und mit meinem gesandstrahlten Aktenkoffer aus katzengoldenen Hochschultagen<br />

– "Dit is my handbagasie. Nee, mevrou, daar is niks nie wat ingeweeg moet word nie." -<br />

würde ich einchecken gehen.<br />

Aber ich stand noch nicht am Schalter, weil ich schon vor dem Frühstück wie in einer<br />

unabgefertigten Warteschlange festsaß, und zwar auf meinem Zimmer. Die Landschaft vor<br />

dem Fenster war nicht der Rede wert, die übliche Öde, die, um überhaupt Abwechselung<br />

hereinzubringen, mal hoëveld, mal vlaktes, mal platteland tituliert wird. Auf erbarmungslos<br />

Ausgewalztes sah ich herab, ein grenzenloses Einerlei, über dem sich eine zweite<br />

Ereignislosigkeit breitgemacht hatte wie Schweißperlen auf welker Haut: die ewige<br />

Monotonie der Kümmerbüsche und Steinkadaver. Das Ganze kam mir wie eine<br />

naturgegebene und naturbelassene Beckett-Bühne vor, angesichts derer auch das<br />

Flughafenareal, soweit es überhaupt in mein Gesichtsfeld trat, mühelos übersehbar wurde wie<br />

ein vorgelagerter neutönerischer Orchestergraben. Nur spielte sich vor der thermoverglasten<br />

und heruntergekühlten Loge, in der ich jetzt geistesabwesend nach einer der Tabletten tastete,<br />

die ich nicht mehr besaß, tatsächlich absurdes Theater ab.<br />

Hinter dem mit einer Art Löwengitter umzäunten Parkplatz, auf dem eine schon in<br />

Weißglut geratene Morgensonne Leihwagen und andere Vehikel so sinnlos bebrütete wie<br />

ausgeblasene Sauriereier, hatte ein ellenlanger Mantel, dessen hochaufgeschossenes,<br />

schlaksiges Innenleben sinnigerweise auch noch mit der Warnleuchte eines roten<br />

Haarschopfes gesegnet war, seinen großen Auftritt. In der einen Hand - auf die Entfernung<br />

schwer zu sagen – trug die Erscheinung wohl Mütze und Handschuhe, in der anderen eine Art<br />

Katzen- oder Hundebox. Wollte diese überdehnte Masochistin am Ende einem ihrer Haustiere<br />

einen qualvollen Tod bereiten? Hatte sich der menschliche Leuchtturm von zuhause<br />

aufgemacht, um die Schar der streunenden Köter, die Südafrika heimsuchen wie eine<br />

vierbeinige Heuschreckenplage, um ein reinrassiges Exemplar zu bereichern? Aber warum<br />

frönte sie ihrem kreatürlichen Haß dann nicht im Schutze der Dunkelheit, weshalb gab sie<br />

dem langweilig gewordenen Spielzeug oder An-Kindes-statt-Weihnachtsgeschenk nicht hinter<br />

dem nächstbesten Supermarkt den Laufpaß? Und dann noch dieser Väterchen-Frost-Aufzug,<br />

der auch fahrige Blicke so verläßlich auf sich ziehen mußte, als würde sie ihren Feld-Zug im<br />

Lendenschurz unternehmen.<br />

Da, als könne sie Gedanken lesen, wirft sie ab; der zusammengelegte Mantel, Mütze,<br />

Handschuhe, Schal, der ebenfalls akkurat gefaltete Pullover werden zu einer Art Podest, auf<br />

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