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Lesen - Ulrich Horstmann

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üblich."<br />

"Mag ek bel?"<br />

Hochgezogene Augenbrauen.<br />

"Darf ich mal telefonieren?"<br />

Sie reicht mir den schnurlosen Apparat über den Schreibtisch: "Bedien er sich wie<br />

Ich wähle. Es dauert, bis jemand schlaftrunken abhebt.<br />

"Du rätst nicht, wer dran ist, Lizzie. ... Kompliment, Volltreffer. Ja, eben gelandet. ...<br />

Hatte ich vor. ... Baie dankie, aber es klappt nicht vor morgen abend. Gibt noch einiges zu<br />

erledigen. Dringende Verlagsgeschäfte" - ich blinzle zur Lagerleitung hinüber - "und so<br />

weiter. Ja, das kann ich einrichten. Einverstanden. Also sewe se kant, gegen sieben. Bis ...<br />

Wie bitte? ... Aus dem Arbeitszimmer? ... Aber da war ich über dem Kongo. ... Eben.<br />

Verrückt, verrückt. Zweites Gehör statt Zweites Gesicht sozusagen. ... Genau, Lizzie,<br />

fernmündlich eben. Und das nächste Mal rede ich deutlicher, versprochen. Doedoe."<br />

Ich gebe das Gerät zurück in gepflegte Hände.<br />

"Will er etwa das ganze Wochenende hier verbringen?"<br />

"Ich kann da dort nicht so einfach mit der Tür ins Haus fallen nach der langen Zeit."<br />

"Rücksichtnahme, deine Initialen sind U.H."<br />

"Du merkst nichts von mir, Anna. Gib mir was zu lesen. Die neue Frühjahrsproduktion<br />

zum Beispiel oder einen alten Titel von diesem Verlagsschmarotzer, der keinen Umsatz<br />

macht. Wie war der Name noch gleich?"<br />

"Geht nicht."<br />

"Wieso?"<br />

"Die <strong>Horstmann</strong>-Titel haben wir alle verramscht und makuliert. Da ist kein einziger<br />

Buchstabe mehr auf Halde."<br />

"Maar ..."<br />

"Was sollte man machen? Der Autor war nicht zu erreichen. Der war doch aus der<br />

Weltgeschichte verschwunden."<br />

XVIII.<br />

Ich sitze auf der aus dem Leim gehenden Bank in der milchigen Wintersonne und versuche,<br />

mich an den Wetter- und Weltumschlag zu gewöhnen. Die Schweißporen stehen noch weit<br />

offen, die Hände auf meinen Knien zeigen das zornige Kupferrot, mit dem ostwestfälische<br />

Bauerngeschlechter seit jeher auf längere sommerliche Aufheiterungen reagiert haben, und<br />

was ich sehe, wirkt nicht mehr wie eine fast monochrome, sepiagetönte Fotographie von<br />

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