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XXXI.<br />
Einmal ausgesprochen, scheint sich die lamsakkigheid trotz solcher Drohgebärden geradezu<br />
galoppierend breitzumachen. Mein Auto, seit seiner Reaktivierung ohnehin kaum mehr das<br />
alte, will nicht anspringen, obwohl sich der Anlasser abmüht. Die Pannenhilfe ist hilflos, die<br />
Werkstatt, in die ich mich abschleppen lasse, gerade heute überlastet, verspricht aber, die<br />
Fehlersuche so schnell wie möglich in die Wege zu leiten und mich anzurufen, sobald die<br />
Ursache gefunden und der Wagen wieder funktionstüchtig ist. Zum Trost chauffiert mich ein<br />
Mitarbeiter zum Zug.<br />
Der Intercity, auf den ich keine Viertelstunde warten muß und der, kaum zum Stillstand<br />
gekommen, auch schon wieder losprescht wie ein von sexuellen Botenstoffen umwallter<br />
Leitstier, macht nach gut zwei Dritteln der Strecke schlapp - in Lollar, wo gar kein Halt<br />
vorgesehen ist. "Wegen Personenschadens im weiteren Streckenverlauf", so die Durchsage,<br />
werden wir in die auf dem Vorplatz wartenden Busse verteilt und bis zum nächsten regulären<br />
Halt, d.h. dem Marburger Hauptbahnhof, transportiert; dort wird den lautsprecherischen<br />
Versicherungen zufolge "für unmittelbaren Anschluß Sorge getragen". Zum Glück bin ich auf<br />
die Einlösung des Versprechens nicht mehr angewiesen. Dafür kann ich mich beim<br />
Entkleiden im Flur von der Saugfähigkeit meiner Holzfällerkluft überzeugen; hat meine<br />
Kunstblase nach dem mit Spannkraft gemeisterten gestrigen Tag, nach der tropflos<br />
durchgestandenen Nacht doch das Hin und Her des Umsteigens und das Gedrängel im Bus<br />
dazu genutzt, sich unbemerkt durch eine undicht gewordene Klebenaht zu erleichtern. Was<br />
ich retten kann, sind zwei Teetassen voll, plus jener Brühe, die ich dem kanadischen<br />
Kunterbunt wieder abpresse. Das, hilft alles nichts, muß reichen.<br />
Bevor ich vollendete Tatsachen schaffe und möglicherweise irreparabel danebengreife,<br />
setze ich mit einer von Lizzies Pipetten im Schnapsglas eine Probemischung an. Im<br />
Verhältnis eins zu vier, d.h. vier Tropfen Strelitzien-Tonic auf einen Tropfen Turbo-Averna.<br />
Gesondheid in die rondheid. Nach zwei, drei Minuten komme ich in Fahrt. Ganz nach<br />
Wunsch. Nur auf dem falschen Gleis. Dieses führt nämlich nicht von der Küste des Indischen<br />
Ozeans nach Norden Richtung Ladysmith, sondern lahnaufwärts an dem Niederweimarer<br />
Baggersee vorbei Richtung Marburg. Und ich habe auch nicht 'Fingerweg' <strong>Horstmann</strong> und<br />
Jacobus Coetzee vor Augen, die es endlich geschafft haben in den letzten Zug, der die sich<br />
einigelnde britische Rückzugsposition noch erreicht. Vielmehr klettert da vorn der<br />
'Personenschaden' die Böschung zu dem schon leise singenden Schienenstrang empor, wirft<br />
sich darauf, als wäre ein Vergewaltiger am Ziel seiner Wünsche. Er will mich ohne viel<br />
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