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"Nicht meine Jacke", verleugne ich sie, als die Bedienung hinter uns herruft. "Lag schon<br />
da, als wir kamen. Wird bestimmt abgeholt." Erleichtert geht es über das Kopfsteinpflaster<br />
bergab, nur noch behängt mit legal erworbener Ware. Unterwegs kommt es sogar zum<br />
Lastenausgleich mit der Nightingale. Auf der Talsohle biegen wir wie auf ein geheimes<br />
Kommando ab in den Warmluftstrom einer Kaufhausschleuse, verfolgen auf der<br />
gegenläufigen Rolltreppe den unaufhaltsamen Niedergang eines meiner früheren Kollegen<br />
und stehen schon mitten in der wenig frequentierten Herrenabteilung.<br />
Ob wir etwas Bestimmtes im Auge haben, will der Verkäufer wissen.<br />
"Leicht, luftig, strapazierfähig", eröffne ich ihm, "Seglerausrüstung, wenn Sie verstehen,<br />
was ich meine."<br />
XLIV.<br />
Ich werfe mich in Schale für den anstehenden Havaristenball, bin aber nach ärztlicher<br />
Diagnose immer noch genauso gut wiederzuerkennen wie in meinem Tagebau-Jumper und<br />
Minen-Overall. Ganz im Gegensatz zu Lizzie übrigens.<br />
Kaum daß sie wieder halbwegs auf den Beinen war, hatte sie mich nämlich mit einer<br />
ganz anderen Liste losgeschickt, und ich bin damit durch ganz andere Kaufhausabteilungen<br />
getingelt, aber kaum weniger überladen zurückgekehrt. Danach ging sie vierundzwanzig<br />
Stunden in Klausur und war kaum wiederzuerkennen. Neue Haarfarbe, neue Frisur, neues<br />
Make-up, verändertes Auftreten. Ihre eigene Mutter hätte zweimal hinsehen müssen. Aber<br />
meine Schwägerin und mein Bruderherz standen für Gegenüberstellungen und<br />
Identifikationen ohnehin nicht zur Verfügung. Aus einer pflichtschuldigen<br />
Fünfzeilenmitteilung an Elisabeth <strong>Horstmann</strong> c/o Post-Prof. U. <strong>Horstmann</strong> usw. ging hervor,<br />
daß sie sich am Tag nach meinem Anruf, der als "Ausdruck der gewohnten panischen<br />
Desorientierung" gewertet wurde, wieder einmal in jene Neue Welt-Gegenden zerstreut<br />
hatten, wo sie, jeder für sich, ein Vermögen zusammenrafften und ihre Freizeit damit<br />
verbrachten, Scheidungsanwälte zu verschleißen und Detekteien zu subventionieren.<br />
Ansonsten enthielt das Schreiben lediglich die Erwähnung einer nicht unbedeutenden<br />
Bestechungssumme für den "Examensfall" und die Beschwerde über Lizzies "asoziales<br />
Trappistentum", dessen Anstifter man nur zu genau kenne.<br />
Konnte es sein, daß beide von den subkulturellen Verstrickungen ihrer Tochter noch gar<br />
nichts erfahren hatten, weil die deutschen Amtshelfer der Schweizer Ermittler sich kein Bein<br />
ausrissen und achselzuckend kehrtmachten, wenn niemand zu Hause war? Nicht<br />
auszuschließen. Die Mühlen der Justiz mahlen langsam, und die helvetischen sind noch<br />
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