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Lesen - Ulrich Horstmann

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Propellerblatt, die Aufmerksamkeit der Flughafenbediensteten auf mich ziehe, die eben im<br />

Begriff ist, die Gangwaytür abzusperren. Jetzt wedele ich mit der Bordkarte. Jetzt wird eine<br />

zweite über meinen Kopf hinweg angeboten. Jetzt - ist nochmal alles gutgegangen.<br />

XII.<br />

Die Maschine ist halbleer, aber wir landen zusammen, weil die Überragende mich,<br />

Sitzplatzreservierung hin, Sitzplatzreservierung her, in eine der freien Mittelreihen schiebt<br />

und neben sich auf das Polster nötigt.<br />

"Stay here! Please, stay!"<br />

Die Stewardess scheint unser Wegdrücken zu besänftigen, wahrscheinlich weil sie darin<br />

Schuldeingeständnis und Wiedergutmachungsgeste zugleich sieht. Als wir sie auch noch mit<br />

einem pflichtschuldigen Doppelklicken empfangen, ist die Trainingskursfreundlichkeit<br />

zurückgekehrt, und bereitwillig verstaut sie Mantel und Haustierbox oben in der Ablage,<br />

während ich mein Handgepäck mit einem energischen Fußtritt unter dem Vordersitz verkeile.<br />

"Thank you for your help", sagt es neben mir und über die ausgestreckte Hand hinweg,<br />

"I'm Bettina Moebius."<br />

"Bly te kenne. Wie der Strip?"<br />

"Ach, Sie spre-" Aber der Satz hängt, das Wort wird abgehackt. Die Augen starren<br />

schreckensweit. Eisige Hexenfinger schließen sich um mein Handgelenk.<br />

"Wat makeer?"<br />

"Es bewegt sich", flüstert sie. "Oh Gott, es bewegt sich. Und auch noch rückwärts."<br />

Schlagartig wird mir der Grund ihrer Anhänglichkeit klar. Diese bizarre Dame, die zwar<br />

keine Eulen nach Athen, dafür aber Mauersegler nach Südafrika getragen hat, leidet an<br />

panischer Flugangst und kann sich selbst nur unter größten Qualen in die Luft erheben.<br />

"Ich will raus. Es geht nicht. In vierundzwanzig Stunden hin und zurück, das hält kein<br />

Mensch durch. Ich muß aussteigen. Lassen Sie mich los. Sofort."<br />

Jetzt klammere ich und rede auf die Kalkweiße ein, deren Mundwinkel zittern, als jagten wir<br />

über die Waschbrettpiste eines Transvaaler grondpad. Die Stewardess beugt sich vom Gang<br />

herüber, wobei uns ihr Lächeln in den Schoß fällt wie eine Zahnprothese. Hat sie es doch<br />

gewußt - wer einmal Probleme macht, kann es den ganzen Flug lang nicht mehr lassen.<br />

"Gin Tonic", kommandiere ich, "oombliklik!"<br />

Dann suche ich im Kreditkartenfach meines Portemonnaie nach dem briefmarkengroßen<br />

Plastiktütchen mit der eisernen Ration.<br />

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