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"Wir haben uns getroffen. Ganz zufällig. Im "Cat-o'-Nine". Ich wußte nicht, daß sie dort<br />
verkehrt. Und sie hat mich dort auch nicht vermutet. Erstaunlicherweise sind wir uns früher<br />
nie über den Weg gelaufen."<br />
"Und was ist das für ein Laden?"<br />
"Stammlokal der SM-Szene. Auch bekannt als Striemen-Bistro. Leder, Latex, Lippenbiß,<br />
du weißt schon."<br />
Ich erinnere mich an die Flurszene bei meiner verstohlenen Heimkehr, den Katalog aus<br />
Nikkis Lederjacke, die Schwalbe für Justus, den Exportschlager von Ellisras und nicke<br />
verhalten.<br />
"Und du gehst ...? Die Unterschätzung beruht auf Gegenseitigkeit, Betty."<br />
"Moment, Moment. Aktives Mitglied bin ich nicht. Ich gebe sozusagen ..."<br />
"Spann mich nicht auch noch auf die Folter."<br />
"... den Clubsanitäter oder besser, den Medizinmann des Stamms. Manchmal haben die<br />
Riten Blessuren zur Folge, bei denen man seinen Hausarzt nur ungern konsultiert. In solchen<br />
Fällen springe ich ein. Ein Freundschaftsdienst auf der Grundlage von ein paar Semestern<br />
Humanmedizin. Honorarfrei, selbstverständlich, aber eine Spende für die interkontinentalen<br />
Pendler ist willkommen. Im Optimalfall arbeite ich auf Gegenseitigkeit."<br />
"Folglich waren das ...", setze ich an. Aber die Schwarzheilerin will mir nicht folgen. Ich<br />
versuche es andersherum.<br />
"Lizzie war kein Debüt."<br />
Sie lächelt. "Nein, nein. Aber so schlimm kommt es sonst nie. In ihrem Fall haben wohl<br />
keine Rituale mehr gegriffen, da war die Gewalt wieder nackt."<br />
"Oder sie steckte in einer chemischen Designergarderobe. Was heißt auf Gegenseitigkeit<br />
- SM zu MS?"<br />
"Ich fange an zu begreifen, wofür dich die Uni bezahlt hat."<br />
"Ja, ja, für die Geistesgegenwart, meine geistige Abwesenheit jahrzehntelang zu<br />
überspielen. Das war jedenfalls der Tenor bei der Abschiedsfeier."<br />
"Hübsches Paradox. So wie das, daß ich meine freiwilligen Helfer liebend gern aus dem<br />
SM-Milieu rekrutiere."<br />
"Wie die beiden vlermuisies von eben?"<br />
Betty nickt. "Seglerküken füttern ist Kunsthandwerk wie, sagen wir, die klassische<br />
Uhrmacherei. Vielleicht jeder Zehnte kann das lernen. Aber die Sado-Masos bringen das<br />
nötige Feingefühl von vornherein mit. Die wissen genau, wie man vorgeht, um ein Wesen,<br />
das man in der Hand hat, zu seinem Glück zu zwingen."<br />
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