Lesen - Ulrich Horstmann

Gliedmaßen zusammengesetztes und in Ketten gelegtes fleischiges SM ziert das Cover, und
darunter gewährt ein Schlüsselloch Einblick in eine Folterkammer der Inquisition, in der
allerdings mit vertauschten Rollen Hand angelegt wird und eine abgelederte Dominikanerin
ihren Klienten in die Geheimnisse der Zangengeburt einzuweihen scheint. Beim Blättern liegt
die gesamte Hard- und Software des neuen Ordens zur Begutachtung aus: von diversen
Salben, Zug- und Ätzpflastern angefangen über Monturen, Meßgewänder und Spreizhöschen
jeder Couleur bis hin zu jenem Überangebot von Brustwarzenclips, das vor
batteriebetriebenen son et lumière ebensowenig Halt macht wie vor hochkarätigem Besatz.
Gut, die Auslagen in den beiden Schaukästen des Club Marie Sarais in Ellisras waren karger,
aber wie Koos Koetzer nicht müde wurde zu betonen, kommt es beim Essen ja auch nicht auf
das silberne Besteck oder die französische Speisekarte an -"'n Lepel en 'n skaal met
mieliepap, dis mos maar alles wat noedig is" -, sondern auf die zuvorkommende Bedienung.
Und in dieser Hinsicht gab es selbst für mich nichts zu klagen, auch wenn ich immer nur
dasselbe bestellte und mir von jeder der drei prikkelpoppies nur das Preiswerteste, nämlich die
papnat Toulouse, auftragen ließ. Die Katalog-Peitschen allerdings studiere ich intensiver, weil
Ellisras in dieser Beziehung nicht nur autark ist, sondern über eine Briefkastenfirma in
Botswana sogar Anschluß an den Weltmarkt gefunden hat. Die Spezialität wurde in
Heimarbeit im ehemaligen Township gefertigt und da, richtig, auch in diesem Sortiment der
Qualvollen und Leidgeprüften fehlte sie nicht: "Sjambok: härter als die siebenschwänzige
Katze, da aus Rhino- oder Hippoleder gefertigt. Garantiert südafrikanisches Markenprodukt
mit Tropenholzgriff. Das Nonplusultra des anspruchsvollen Züchtigers."
In Kniehöhe neben mir ein doppeltes Hinlangen nach Brazzaville und Feuerzeug, die ich
auf der Bank abgelegt habe. Der gewindelte Knirps ist wieder auf Entdeckungsreise und
sammelt Mitbringsel ein.
Händen.
"Dis nie om te suig nie", erkläre ich ihm und schüttle den Kopf. Er erstarrt mit vollen
"Orrait, seuntjie, nog nie. Aber ich habe etwas Besseres für dich. Warte mal."
Ich krame in meiner Hosentasche nach dem Lutschbonbon, das im Flieger beim
Übergang in den Sinkflug verteilt wurde.
"Komm her, Justus. Was machst du da?" ruft ihm die Mutter, die eben dem
Zweitjüngsten in kleineren Geschäften assistiert, über die Schulter zu.
Ich winke ab: "Schon gut. Wir unterhalten uns nur von Mann zu Mann." Sie winkt
zurück: "Moment noch."
Der Kleine wartet, die Süßigkeit im Visier.
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