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Lesen - Ulrich Horstmann

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"Durchs Schlüsselloch, Grootegeluk." Ich reibe mir die Augen.<br />

"Also gut", bequemt sie sich, "halb legal. Aber nach mehrfachem Klingeln. Du hältst zu<br />

große Stücke auf deine unverschlossene Wohnungstür."<br />

Ich winke sie auf den zweiten Küchenstuhl und versuche, aus dem mentalen Stand-by auf<br />

Normalbetrieb umzuschalten.<br />

"Du siehst angegriffen aus", bekomme ich dabei zu hören.<br />

"So eine Belagerung ist kein Zuckerschlecken", untertitele ich mein Erscheinungsbild -<br />

zu diesem Zeitpunkt noch ganz ahnungslos, daß eine zweite Einkreisung bevorsteht, bei der<br />

sich auch Frau Dr. Moebius nicht mehr vornehm wird heraushalten können.<br />

Die spult unterdessen die humanmedizinischen Routinen ab: Pupillenschau, Zunge,<br />

Blutdruck, Abhorchen, Reflexe. Alles an Ort und Stelle, zwischen Spüle und Küchentisch mit<br />

dem unabgeräumten Frühstücksgeschirr, den Brotkrumen und aushärtenden Marmeladeresten.<br />

"Und? Schlachtreif?"<br />

Sie schüttelt den Kopf: "Langsam, langsam, vier Wochen Stallruhe und Halbmast ..."<br />

"Die Fahne?"<br />

"... das Futter. Schlanke, vitaminreiche Aufbaukost ohne Fettaugen und Eisbeine."<br />

"Boerewors? Braaivleis? Melktert? Koeksisters?"<br />

"Gestrichen. Danach sehen wir weiter. Hier ist die Rechnung."<br />

Prompt, muß ich schon sagen. Wie die Handwerker, die gleich ausdrucken, kassieren und<br />

quittieren auf der reparierten Waschmaschine. Dann entdecke ich das Logo meiner<br />

Automarke und den Namen der Werkstatt oben auf der Seite und entschuldige mich in<br />

Gedanken für die Unterstellung.<br />

"War stinksauer, der Meister. Hatte aber zwei vermilbte Kakadus in Pension, die ich<br />

gepudert habe. Danach ging's besser. Ich soll dir sogar etwas ausrichten."<br />

"Nämlich?"<br />

"Weg mit dem Wrack, solange es im Maghreb noch mit einem Auto verwechselt wird."<br />

"Schönen Dank."<br />

"Ich gehe jetzt einkaufen. Und du läßt schon mal das Kühlwasser aufkochen und filtrierst<br />

die Restbestände."<br />

"Wieso? Ist doch noch ein ganzes Päckchen Kaffee im Schrank."<br />

"Schon gut", sagt sie, "Test bestanden. Aber gestern am Telefon hättest du nicht gewußt,<br />

wovon ich rede. Nicht die Bohne." Und ist weg.<br />

Als sie zurückkommt, dampft der Kaffee auf dem frisch gedeckten Tisch und ich habe<br />

meinen Bademantel gegen Räuberzivil eingetauscht, ganz wie es mir die Transvaaler<br />

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