Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
"Grootegeluk", sage ich und zeige auf die Overall-Beschriftung, "Gisbert Grootegeluk.<br />
Kann sein, daß ich die Strelitziacea nochmal zur Ader lassen muß. Dann sind Sie gewarnt."<br />
"Nichts für ungut also", sagt der Wachhabende und tippt sich an die Mütze.<br />
"Ich dachte, Sie sind Tierärztin", erkundige ich mich auf dem Rückweg, während der<br />
Hüter der Exoten wie abgeschrieben unter Palmen zurückbleibt und aussieht, als hätte man<br />
mehr mit ihm anfangen sollen.<br />
"Bin ich auch. Aber bis Mitte März läuft nebenan in der Palmenhaus-Galerie die<br />
Flugshow 'Tropische Schmetterlinge'. Und da sehe ich ab und zu nach dem Rechten."<br />
"Als Entpuppungsassistentin?"<br />
"Wenn Sie so wollen. Aber jetzt erklären Sie mal."<br />
"Was denn?"<br />
"Ihren Aufzug zum Beispiel, den falschen Namen und den Durst auf Palmenabwässer."<br />
"Moment", vertröste ich meine überragende Begleiterin am Ausgang des Tropicariums,<br />
"eben noch den Mantel."<br />
Ich weiß genau, daß ich ihn da aufgehängt habe, dort auf dem Haken ganz rechts am<br />
Reihenende. Kinderleicht zu merken. Und trotzdem ist er weg.<br />
Raben."<br />
"Leute gibt's", lasse ich kopfschüttelnd fallen, "denen ist nichts heilig. Die klauen wie die<br />
"Sie müssen es ja wissen", kommentiert die klapperdürre Bettina und tätschelt den prallen<br />
Beutel, den ich mir umgehängt habe.<br />
auf."<br />
"Nett, daß wir uns über den Weg gelaufen sind." Ich strecke ihr die Hand hin: "Mooi bly."<br />
"In-kon-ti-nenz, meneer Grootegeluk," hält sie dagegen. "Ich warte noch."<br />
"Worauf?"<br />
"Den versprochenen Wortschwall."<br />
"Also?"<br />
"Kennen Sie die Villia Leonardi, Eingang Zeppelinallee? Da fallen Sie am wenigsten<br />
Stimmt. Das Restaurant ist für die letzte Prunksitzung der Saison standesgemäß<br />
hergerichtet, und in all dem karnevalesken Budenzauber wirken sogar die Unkostümierten so,<br />
als hätten sie sich nur besonders einfallslos hergerichtet. Sie stellen das Gros der Gäste, unter<br />
denen meine Begleiterin, die denn auch die Blicke auf sich zieht, als einzige den<br />
extravaganten Geboten der Stunde entspricht: eine staksende Vogelspinne, die ihr Opfer auf<br />
einem Stuhl am Sprossenfenster festgenagelt hat, hinter dem sich ein erigierter Betonklotz den<br />
Steingartenrundungen aufdrängt, und die genüßlich alle Anstalten trifft, es auszusaugen.<br />
77