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"Ich kriege morgens nichts runter. Außer dem hier." Sie hebt leicht die große Tasse an.<br />
"Sag mal, Uli, kannst du mich heute abend zum Bahnhof bringen? Mit dem Auto, meine ich,<br />
wegen der zwei Koffer."<br />
"Wenn mich die Kiste noch wiedererkennt und anspringt, sicher. Hier, probier mal." Ich<br />
schiebe ihr ein fertig geschmiertes Brötchenviertel auf den leeren Teller. Sie lacht und<br />
schüttelt den Kopf.<br />
"Wohin geht die Reise - Brazzaville?"<br />
"Wie kommst du denn darauf? St. Moritz, mit einer Freundin."<br />
"Aber das Semester läuft doch noch."<br />
"Ich habe meine Scheine, Onkelchen. Nun sieh nicht so besorgt aus."<br />
"Ek moet nie daroor bekommerd wees nie?"<br />
"Nein, nie bekommerd. Die Klausuren laufen mir nicht weg, und zwei Semester später ist<br />
auch noch Examen."<br />
"Lizzie, ich weiß nicht."<br />
"Ich aber!" Sie beißt in ihr Brötchenteil und verzehrt es, als klebe Senf darauf.<br />
"Was machen Bruderherz und meine Schwägerin?"<br />
"Sind immer noch dabei, ihre Scheidung einzustielen, genau wie vor einem Jahr."<br />
"Ek is jammer. Aber finanziell ...?"<br />
"Meinst du sie oder mich?"<br />
Ich schiebe die Brötchenkrümel auf meinem Teller zu einem Pfeil zusammen, der in<br />
Lizzies Richtung zeigt. Sie steht auf, gießt mir Kaffee nach; beim Weggehen streicht etwas<br />
federleicht wie ein Luftzug über meine Kopfhaut, dann sitzt sie wieder da en glimlag.<br />
"Mietfrei wohnen, kostenlos mit dem Fahrrad zum Institut und der ein oder andere<br />
Nebenverdienst, der anfällt, wenn man als höheres Semester im Laboratorium ein bißchen<br />
aufpaßt. Nein, nein, Uli, ich kann mich nicht beklagen."<br />
Ich nicke.<br />
"Aber ich sehe mich natürlich nach einer neuen Bleibe um, sobald ich zurück bin."<br />
"Wie lange bleibst du weg?"<br />
"Drei Wochen."<br />
Ich schnalze mit der Zunge: "Drei Wochen St. Moritz in der Hochsaison? Das zehrt an<br />
den stillen Reserven."<br />
"Meine Freundin hat ... was an den Füßen. Und spendabel ist sie auch."<br />
"Muß ich kennenlernen, daardie meisie. Holen wir sie ab?"<br />
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