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Lesen - Ulrich Horstmann

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XIV.<br />

Die Maschine schwingt mit schöner Behäbigkeit zurück in die Horizontale.<br />

Wir verabschieden uns am Fuß der Notrutsche. Es blinkt und es stinkt. Das Blinken kommt<br />

von den Positionslichtern über uns und den Rettungsfahrzeugen um uns herum. Bettina<br />

Moebius' langes Gesicht ist mal blau, mal bonbonrosa, mal violett. Der Gestank nach<br />

verbranntem Gummi rührt vom rechten Fahrwerk her, bzw. von dem, was von den zerfetzten<br />

Reifen noch übrig ist. Es kokelt die Hydraulik empor, hier und da leckt noch ein Flämmchen.<br />

Die Feuerwehr schäumt. Der Flieger läßt die Schulter hängen.<br />

Eiskalt ist es auch noch, und das Rote Kreuz verteilt Decken an die ganz unpassend<br />

bekleideten Passagiere, die in Trauben an den Rutschen stehen, als wollten sie so schnell wie<br />

möglich zurückklettern in die gleichbleibende Helligkeit und wohlige Wärme da oben. Nach<br />

dem grünen Licht der Einsatzleitung biegen endlich auch Flughafenbusse auf das Rollfeld.<br />

Die Apus apus-Nightingale, die in dem Tohuwabohu der Evakuierung an ihren Mantel<br />

gedacht haben muß, zeltet neben einem Leichtverletzten. Sie macht den Helfern Konkurrenz<br />

bei der Versorgung von Schürf-, Kratz- und Bißwunden und was sonst noch auftritt, wenn die<br />

Pfeile im Boden aufleuchten und sich Lebenslustige vor einem als Emergency Exit<br />

ausgewiesenen schwarzen Loch an den Himmel auf Erden erinnern, der nicht ohne sie<br />

auskommen kann.<br />

"Totsiens", sage ich, "da kommt mein Bus."<br />

"Totsiens", antwortet sie, blickt auf vom rohen Fleisch. "Wann fliegen Sie zurück, Herr<br />

<strong>Horstmann</strong>?"<br />

"Waarom?"<br />

"Man könnte sich verabreden. War doch ganz unterhaltsam mit Ihnen."<br />

Ich versuche mich zu erinnern, dann spreche ich langsam und ganz für mich nach, was Koos<br />

entfuhr, als ihm ein fuchtelnder Skunkie den ersten witblits des Abends verschüttet hatte:<br />

"Daar kan 'n mens nie help om hoendervleis te kry nie."<br />

In der S-Bahn zum Frankfurter Hauptbahnhof hat die angesprochene Gänsehaut<br />

ausgedehntere Körperpartien übernommen. Ich wickle meine Tasche, die ebensowenig an<br />

Bord zurückgeblieben ist wie anderer Leute Oberbekleidung, aus der Rotkreuzumhüllung und<br />

schlage mir die Decke um. Der fernöstliche Geschäftsmann gegenüber verzieht keine Miene.<br />

Trotzdem lasse ich ihn wissen, daß ich im Gegensatz zu meiner Urgroßmutter Anne Marie<br />

Elisabeth Menke schon wieder mit dem nackten Leben davongekommen bin. Er nickt<br />

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