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Lesen - Ulrich Horstmann

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Ehrenamtliche gaukeln wie noch winterschlaftrunkene Fledermäuse. Mit vereinten Kräften<br />

haben wir das Benötigte rasch verstaut und während das scheinbar ziellose und<br />

instinktgesteuerte Hinüber und Herüber wieder einsetzt, ziehen Betty und ich uns in eine<br />

ruhige Ecke zurück, um den kleinen Tauschhandel abzuwickeln, auf den wir uns im<br />

Treppenhaus mit zwei Halbsätzen geeinigt haben: reinen Wein über Lizzies Enthusiasmus<br />

gegen Aufklärung, was den freiwilligen Feuerwehreinsatz von Anna Schardt am Löschteich<br />

von Cyriaxweimar angeht.<br />

"Der Schriftstellerkollege im Café Vetter war eine Finte", eröffnet Betty die Stunde der<br />

Wahrheit. "In Wirklichkeit ..."<br />

Ich nicke: "... bin ich nach dem Deponieren des Drogenpakets im Schilfgürtel neben der<br />

Eisrettungsstation zu Anna Schardt gefahren."<br />

"Und was hast du ihr weisgemacht, damit sie die Kastanien für dich aus dem Feuer holt?"<br />

"Ganz einfach: daß ihr Verlag bald nicht mehr ihr Verlag ist."<br />

Betty beugt sich vor und wird nachdrücklich, als ich nicht gleich weiterrede: "Entweder<br />

du hältst dich an die Abmachung ..."<br />

Eine der Fledermäuse streicht heran. Ob sie die Schwungfedern vom letzten Jahr noch<br />

aufbewahren sollen? Die fürs Schiften. Oder ob nur frisches Material in Frage komme? Bis<br />

das verfügbar sei, bescheidet sie die Chefärztin, hätten sie doch keine andere Wahl.<br />

"Du rupfst den Tierchen die Federn aus?"<br />

Sie nickt ganz selbstverständlich. "Den toten, klar, und den eingeschläferten, denen nicht<br />

mehr zu helfen ist. Wie sollen wir Gefiederschäden denn sonst in Ordnung bringen? Übrigens<br />

haben die Falkner schon im Mittelalter ..."<br />

"... transplantiert?"<br />

"So ähnlich. Aber lenk nicht ab von deinen Kuckuckseiern."<br />

"Wer wollte denn wen in die Pfanne hauen?"<br />

"Schon gut. Also?"<br />

"Du schluckst, habe ich zu Anna gesagt, seit Jahren kleinere Verlage wie ein Seehund die<br />

Heringe. Aber jetzt haben die Orkas Appetit bekommen auf Seehundfleisch. Sie verkaufe<br />

nicht an einen Konzern. Warum auch? Ihr Unternehmen sei ökonomisch gesund und auf<br />

Erfolgskurs. Genau, ein wahrer Leckerbissen, bestätige ich ihr. Deshalb hätte man die Zähne<br />

schon drin in ihren leckeren Weichteilen. Eine Kannibalisierung, von der sie aber nichts<br />

spüre; nein, ausgeschlossen, solange ihre Autoren ... Eben bei denen setze man an. Es gebe<br />

Dossiers, belastende wohlgemerkt, und es gebe sehr verlockende finanzielle Angebote. Für<br />

meinen neuen Roman zum Beispiel sei mir eine hochanständige Summe in Aussicht gestellt<br />

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