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Lesen - Ulrich Horstmann

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Ich verzichte dankend und mit einem Schulterzucken. In Ermangelung weiterer<br />

Bedürfnisse beginne ich mich auszukleiden, während sie mit nicht minder trockener Kehle<br />

das herunterschluckt, was ihr noch auf der Zunge lag. Stattdessen wird Konziliantes laut.<br />

"Schicke Jacke."<br />

"War ein Schnäppchen."<br />

"Ah ja. Góða nótt."<br />

"Ook so. Lekker slaap."<br />

Als die Schritte der Workaholikerin verhallt sind, ziehe ich den Aktenordner heraus,<br />

hinter dem der Buchbinder den ganz besonderen Leim versteckt hat, der Leib und Seele<br />

zusammenhält, und nehme einen Zug, der nicht ganz so lang wie der der Mauersegler ausfällt,<br />

aber trotzdem eine im Magen flatternde Brut im Gefolge hat. Dann rutsche ich ab. Und das<br />

hoffentlich zum letzten Mal in dieser Nacht.<br />

XVII.<br />

Ein Mehrfachgong holt mich aus der Traumlosigkeit. Dabei ist es Sonnabend, und die<br />

Herstellung arbeitet nicht. Aber der Gong läuft durch - wie die Chefin. Eine Tablette wäre<br />

jetzt nicht schlecht, eine von der ganz einfachen Sorte, doch in dem kleinen Waschraum zwei<br />

Türen weiter gibt es nur Kernseife. Halte ich eben den vogelfreien Kopf so unter Wasser.<br />

Die Domina, will sagen Hausherrin, sitzt an ihrem Schreibtisch und hält Zwiesprache mit<br />

dem blikbrein, will sagen Rechner. Auf dem Besuchertisch steht ein Frühstück.<br />

"Goeie môre."<br />

"Môre. - Er ist also nach Südafrika verschwunden. Und warum?"<br />

"Wegen der Kreuze am Straßenrand, Anna, beziehungsweise der da Festgenagelten, am<br />

Unfallort, heißt das, Fixierten. Wegen der Gekappten und aus der eigenen Lebensgeschichte<br />

Geschleuderten. Zur Unzeit, Anna. Wegen der Flehentlichen."<br />

oder?"<br />

"Die Aspirin liegen neben dem Aufschnitt-Teller."<br />

"Danke. Die haben mir ins Gewissen geredet, wenn du weißt, was ich meine."<br />

"Immer. Und hat er ein Manuskript mitgebracht aus der Gewissenhaftigkeit am Kap?"<br />

Ich schüttle den Kopf. Vorsichtig. "Ek skryf nie weer nie. Ist doch noch erinnerlich,<br />

"Seine Sache. Absichtserklärungen zählen zum Privatvergnügen. Da redet auch niemand<br />

dazwischen. Aber hier werden Geschäfte gemacht. Also, hat er gearbeitet?"<br />

"Ja."<br />

"Und? Wo steckt das Buch?"<br />

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