Lesen - Ulrich Horstmann

XXVI.
Gesagt, getan. Was beim ersten Anlauf herauskommt, ist eine doppelbelichtete Skizze: die
Ankunft des Heinrich Ulrich Horstmann in Durban. Ein Schwanken und Kippen, ein Flackern
und Verwischen zwar, aber immerhin ist erst der eine, dann auch der andere vor Ort.
Um meinem Urgroßvater den Weg zurück in die Wirklichkeit, in seine Wirklichkeit zu
bahnen, muß ich meine widerrufen, d.h. fünfundneunzig Prozent des Zwei-Millionen-
Molochs ungeschehen machen, die Betonwüste renaturieren, die beim Blick aus dem
dreißigsten Stock, der das italienische Drehrestaurant "Turetta" beherbergt, unter mir
vorüberzieht. Anfang 1899, als die "Halcyon Pride" mit ihren Salzufler Afrika-Stärkern im
Hafen festmacht, ist Durban eine propere koloniale Kleinstadt und, wie in Empire-Tagen
üblich, britischer als Großbritannien. Um Heinrich Wilhelm nicht völlig verloren dastehen zu
lassen hinter seinen Vorgesetzten, die eine Klasse über ihm rangieren und eine Klasse über
ihm gereist sind, um den Verschüchterten und Verschnittenen möglichst schnell aus der
beängstigenden bunten Fremde, dem Jubel und Trubel am Anleger, dem Gewimmel der
flitzenden, schwitzenden indischen Kulis herauszulösen und in die Übersehharkeit seines
vorläufigen Quartiers zu expedieren, winke ich eine Rikscha herbei.
Ja, die existierten damals schon, aber natürlich ohne diesen für die Urlauber in
Hollywood-Manier aufgetakelten Zulu und seinen elektrischen Hilfsmotor, der dem pausenlos
Plappernden jede Anstrengung abnimmt. Kaum haben wir uns in Bewegung gesetzt, entferne
ich das Aggregat, takle den Vorreiter ab, halbiere seine Pfunde, halbiere den Rest noch einmal
und wechsle ein paar Chromosomen aus. Dann mache ich mich hinter dem ausgezehrten
Gandhi an die Auslöschung all jener angejahrten Gebäude um uns herum, die 1899 noch
prähistorisch waren wie die neugotische Emmanuel-Kathedrale, ihre vergoldete Konkurrentin,
die Juma-Moschee, oder den Supreme Court von 1912. Anderes ist umzuwidmen: das heutige
Hauptpostamt in das damalige Rathaus oder das Local History Museum in das Domizil der
Nataler Rechtspflege. In den später ausgebaggerten und vergrößerten Hafen schiebe ich per
Federstrich eine ganze Sandbank zurück und bringe die Vasco da Gama-Glocke, an der ich
meinen Urgroßvater erwarte und wo der ostwestfälische Irrläufer immer noch nicht
aufgetaucht ist, auf Hochglanz; schließlich wurde sie der Stadt erst 1897, gerade zwei Jahre
ist das her, vom portugiesischen Königshaus zum Geschenk gemacht.
Sobald er sich seinen Weg gebahnt hat, werde ich Heinrich Wilhelm einen Tauschhandel
vorschlagen. Seine Informationen gegen meine, während der Entmotorisierte vor uns mit
seinem Fliegengewicht in die Pedalen steigt. Halt. Ek is deurmekaar, ich bin Anachronist.
Das Zurückstutzen ging nicht weit genug. Neben Hilfsmotor, Zulu-Kostümierung,
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