Der Burgbote 2015 (Jahrgang 95)
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Wir brauchen einfach breitere Bühnen...<br />
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Nach einem längeren Aufenthalt in warmen<br />
Gefilden habe ich mit großem Vergnügen<br />
das diesjährige Divertissementchen genossen.<br />
Nicht nur weil es voraussichtlich das<br />
letzte Mal war, dass ich im mittlerweile<br />
recht maroden Stahl-Gebälk des Blauen<br />
Zeltes verweilen durfte, hat sich die Rückkehr<br />
nach Köln und damit in den <strong>Burgbote</strong>n<br />
gelohnt. Nein, auch das Stück bereitete mir<br />
großes Vergnügen. Allerdings musste ich<br />
eine der bereits früher von mir verspotteten<br />
Verhaltensweisen noch immer beobachten:<br />
Wir brauchen einfach breitere Bühnen...<br />
Auch in größeren Kommunen bleiben vierzig<br />
bis fünfzig Meter breite Bühnen zunächst<br />
noch Zukunftsmusik. Zahlreiche<br />
Bühnenspielgemeinschaften stehen somit<br />
auch auf lange Sicht noch vor der Frage:<br />
Wer präsentiert im tosenden Schlussapplaus<br />
Gesicht und Körper im glänzenden<br />
Scheinwerferlicht an vorderster Front, und<br />
wer verbringt einen Großteil seiner Bühnenexistenz<br />
im Dunkel und der Ödnis der<br />
hinteren Kulissen und darf keinesfalls auf<br />
Entdeckung durch Familie, Freunde oder<br />
gar Talentsucher hoffen. Nach Beobachtung<br />
der typischen Bewegungsmuster im »Verteilungskampf«<br />
um den Platz an der Sonne<br />
lassen sich aus der bescheidenen Sicht des<br />
Spötters zunächst einmal sieben verlässliche<br />
»Grundtypen« erkennen.<br />
Beginnen wir mit dem »Sprinter«. Er wartet<br />
bereits lange vor Auftritt des Gesamtchores<br />
z.B. dicht an der Pendeltür zur<br />
Bühne. Aber Vorsicht – birgt diese doch<br />
einige Verletzungsrisiken. So ist es durchaus<br />
möglich, durch unerwartet blitzschnell<br />
heraus eilende Künstler fatal zwischen Tür<br />
und Trennwand zu geraten. Quetschungen<br />
und Nasenbeinbrüche sind nicht aus der<br />
Welt. Übersteht der »Sprinter« diese bangen<br />
ersten Minuten, ist ihm allerdings ein Platz<br />
in vorderster Linie kaum noch zu nehmen.<br />
<strong>Der</strong> frühe Vogel fängt den Wurm.<br />
<strong>Der</strong> »Cross-Checker« zeichnet sich durch<br />
ausgeprägt kräftige obere Extremitäten aus.<br />
Gesunde Ellenbogen sind kein Nachteil.<br />
Auch spielt der Zeitpunkt seines Bühnensturms<br />
keine besondere Rolle; durch hohe<br />
Testosteronausschüttung und den gezielten<br />
Einsatz gewaltiger Körperkräfte ist ein Platz<br />
an vorderster Front auch bei verspätetem<br />
Start locker machbar.<br />
<strong>Der</strong> »Windler« (nicht zu verwechseln mit<br />
dem ähnlich klingenden Schlagersänger<br />
»der Wendler«) nutzt auf dem Weg nach<br />
vorn auch jede noch so kleine Lücke, jeden<br />
Fehltritt und mangelnde Entschlossenheit