Festschrift - Richard Wagner Verband Minden eV
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08<br />
Carl Hermann Bitter wirkte von<br />
1850 bis 1856 als Regierungsrat in <strong>Minden</strong> und belebte als<br />
Zeichner, Schriftsteller und Leiter des Gesangvereins<br />
„Liedertafel“ auch die örtliche Kultur.<br />
In Deutschland fand <strong>Wagner</strong> in den 1850er Jahren vornehmlich<br />
mit seinem „Tannhäuser“ größere Beachtung,<br />
der im 19. Jahrhundert zu einer der beliebtesten <strong>Wagner</strong>-<br />
Opern zählte. Auch die berühmt-berüchtigte Inszenierung<br />
in Paris 1861 auf Wunsch Kaiser Napoleons III. tat für die<br />
Popularität des „Tannhäusers“ ihr Übriges. 14<br />
Das Fiasko läutete in den 1860er Jahren die allgemeine Bekanntheit<br />
<strong>Wagner</strong>s ein, ohne dass diese ihn künstlerisch zufrieden<br />
stellen konnte oder auch nur materielle Entlastung<br />
gewährte. Hilfreich wirkte 1860 die Aufhebung des aus<br />
der Beteiligung an der Revolution herrührenden Einreiseverbotes<br />
in Deutschland, wobei der Haftbefehl für <strong>Wagner</strong><br />
in seinem Heimatland Sachsen erst 1862 auslief. Persönlicher<br />
wie allgemeiner Wendepunkt in Leben und Wirken<br />
<strong>Richard</strong> <strong>Wagner</strong>s wurde sodann die Protektion durch den<br />
bayerischen König Ludwig II. seit dem Jahr 1864. Schon<br />
ein Jahr später folgte mit der königlichen Hilfe die Uraufführung<br />
des „Tristan“ in München, die freilich unter dem<br />
deutschen Publikum weniger Beachtung auslöste als die<br />
„Meistersinger von Nürnberg“ 1868. Die Uraufführungen<br />
von „Rheingold“ (1869) und „Die Walküre“ (1870) wiesen<br />
bereits auf die künftigen Festspiele hin. Auszüge aus den<br />
Werken <strong>Wagner</strong>s kursierten nun in allen Konzerthäusern,<br />
wobei der Komponist auf zahlreichen Reisen auch selbst<br />
für seine Sache warb. Nützlich erwiesen sich zudem die<br />
vielen illustren Bewunderer, die sich um <strong>Wagner</strong> geschart<br />
hatten, neben Vertretern des Hochadels auch geistige Größen<br />
wie beispielsweise Friedrich Nietzsche. Die zunehmende<br />
Beliebtheit und Bekanntheit beschwor aber auch<br />
heftige Kritik an Person und Werk <strong>Richard</strong> <strong>Wagner</strong>s hervor.<br />
Bezog sie sich anfänglich eher auf musikalisch-ästhetische<br />
Fragen, nahm sie seit den 1870er Jahren auch persönlichideologische<br />
Züge an, die <strong>Wagner</strong> teilweise selbst provozierte,<br />
indem er aus seiner neuen, gefestigten Stellung<br />
heraus deutlicher und unbedingter denn je seine kulturreformerischen<br />
Ansichten vertrat. In diesem Rahmen ließ<br />
<strong>Richard</strong> <strong>Wagner</strong> 1871 auch erstmals seine „Gesammelten<br />
Schriften“ herausgeben. Konservative Schichten des Bürgertums<br />
standen dem einstigen Revolutionär und seinen in<br />
ihren Augen und Ohren „neutönerischen“, mit anstößigen<br />
Inhalten gespickten Werken skeptisch gegenüber, während<br />
liberal Gesinnte u. a. die antisemitischen Äußerungen<br />
<strong>Wagner</strong>s missbilligten, wie sie 1869 in einer Neuauflage<br />
vom „Judentum in der Musik“ verbreitet wurden.<br />
Beispielhaft mag für diesen ablehnenden Kreis der nationalliberale<br />
Carl Hermann Bitter stehen. Er wirkte von 1850<br />
bis 1856 als Regierungsrat in <strong>Minden</strong>, wo er auch ein bedeutendes<br />
Mitglied des kulturell rührigen Bürgertums darstellte,<br />
den Gesangverein der „Liedertafel“ führte und der<br />
14 Aufgrund des Pariser Tannhäuser-Erlebnisses zählte v.a. Charles Baudelaire zu den Verfechtern <strong>Wagner</strong>s in Frankreich. Seine Werke<br />
wurden in Deutschland später durch den <strong>Minden</strong>er Bruns-Verlag bekannt gemacht. Vgl. Charles Baudelaire, <strong>Richard</strong> <strong>Wagner</strong> und<br />
„Tannhäuser“ in Paris, in: Max Bruns (Hrsg.), Charles Baudelaires Werke in deutscher Ausgabe. Der Dritte Band. Poes Leben und<br />
Werke, <strong>Wagner</strong> in Paris u.a., <strong>Minden</strong> o.J., S. 17-94.<br />
15 Heinz-Peter Mielke (Hrsg.), Karl Hermann Bitter. Stationen eines Staatsmannes. Schriften des <strong>Minden</strong>er Museums für Geschichte,<br />
Landes- und Volkskunde. Kunstgeschichtliche Reihe, Heft 2, <strong>Minden</strong> 1981