Festschrift - Richard Wagner Verband Minden eV
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Auf der nächsten Hauptversammlung 1910 wurde eine<br />
Satzungsänderung beschlossen, die Leipzig offiziell zum<br />
Sitz des <strong>Verband</strong>es bestimmte, da „der Ruf zur Gründung<br />
von hier ausgegangen“ war. 95 Die Leitung des <strong>Verband</strong>es,<br />
der alle fünf Jahre zu wählende Vorstand, wurde auf die<br />
erste und zweite Vorsitzende, die erste und zweite Schriftführerin,<br />
eine Schatzmeisterin, acht Beisitzerinnen und<br />
dem Beirat festgelegt. Die Bestimmungen über Vorstand<br />
und Hauptversammlung galten sinngemäß auch für die<br />
Ortsgruppen, welche zwar selbständig agierten, aber nicht<br />
selbst den Charakter einer juristischen Person annahmen. 96<br />
Allein der Gesamtverband erhielt 1914 die Eintragung als<br />
Verein und trug seitdem dem Namen „<strong>Richard</strong> <strong>Wagner</strong>-<br />
<strong>Verband</strong> deutscher Frauen e.V.“ Die Ortsgruppen setzten<br />
dieser Bezeichnung lediglich den Namen ihrer Stadt hinzu.<br />
Eine glanzvolle Anerkennung erhielt der junge <strong>Verband</strong><br />
durch die deutsche und preußische Kronprinzessin Cecilie,<br />
welche am 3. Februar 1910 eine angetragene Schirmherrschaft<br />
übernahm und bis 1944 fortführte.<br />
Im Jahr 1910 waren fünf weitere Ortsgruppen in Berlin,<br />
Braunschweig, Hamburg, Schöneberg bei Berlin und<br />
Würzburg dazugekommen. Ende 1910 hatte der Verein<br />
95 Wilberg, Protokollbücher, S. 329<br />
96 Laut BGB fanden für sie die Vorschriften einer Gesellschaft Anwendung. Erst durch eine Änderung der Bundessatzung 1980 ist die Verselbständigung der Ortsverbände als „eingetragene Vereine“ möglich.<br />
97 <strong>Richard</strong> <strong>Wagner</strong> Museum Eisenach, Bibliothek, Zug. Nr. 3316 (Jahresbericht des <strong>Richard</strong> <strong>Wagner</strong> <strong>Verband</strong>es deutscher Frauen 1910).<br />
98 Veltzke, Mythos des Erlösers, S. 107.<br />
Vertretungen in 28 Städten mit rund 5000 Mitgliedern. 97<br />
Die Anzahl aller Ortsgruppen in Deutschland wuchs von<br />
36 im Jahr 1911 auf 40 im Jahr 1912.<br />
Der <strong>Verband</strong> schien zunächst nur einen weiteren Spezialverein<br />
in der ausdifferenzierten <strong>Wagner</strong>bewegung darzustellen.<br />
Durch seine Konzentration auf die Erhaltung der<br />
Stipendienstiftung, den Verzicht auf jegliche Einmischung<br />
in die Verwaltung der Festspiele und die karitative Tätigkeit<br />
vor Ort hob er sich jedoch von allen anderen Vereinen<br />
deutlich ab. Der „<strong>Richard</strong> <strong>Wagner</strong> <strong>Verband</strong> deutscher<br />
Frauen“ wurde so zum tatkräftigsten und lebendigsten Teil<br />
der <strong>Wagner</strong>bewegung und bildete 1949 die Grundlage für<br />
den neuen universell ausgerichteten „<strong>Richard</strong> <strong>Wagner</strong> <strong>Verband</strong>“.<br />
Dabei rückte er nie von seinem historischen Markenkern<br />
ab, der ihm letztendlich diese Alleinvertreterschaft<br />
ermöglichte: die Unterstützung der Stipendienstiftung. Die<br />
enge Verbindung ließ den <strong>Verband</strong> geradezu als Organ der<br />
„<strong>Richard</strong> <strong>Wagner</strong>-Stipendienstiftung“ erscheinen, deren<br />
Vorgaben man auch nach dem Schritt zum autonomen<br />
Verein 1912/13 und der Erweiterung des Aufgabenspektrums<br />
unterworfen blieb.<br />
Wie schon zu <strong>Wagner</strong>s Lebzeiten bürgerliche Damen zu<br />
den eifrigsten Förderern seiner Person und seines Werkes<br />
zählten und seine Musikdramen wesentlich von der Erlösung<br />
durch weibliche Figuren handelten, so bewahrten<br />
und entwickelten engagierte Frauen nun eine zentrale Idee<br />
und Hinterlassenschaft des „Meisters“. Diesen Zusammenhang<br />
sah schon die Vorsitzende Margarethe Strauß im Jahr<br />
1913 und meinte selbstbewusst mit Bezug auf das Bayreuther<br />
Werk: „Unvergängliches wurde hier geschaffen.<br />
Dank der Frau, denn Sie hebt er [<strong>Wagner</strong>, Anm. d. Verf.] zu<br />
besonderer Höhe. Darum sollen wir seine Ideale in unser<br />
Volk tragen.“ 98 Der Einsatz für die Stipendienstiftung speiste<br />
sich aus der oftmals bekundeten Überzeugung, dass<br />
<strong>Wagner</strong>s Werken eine regenerative Kraft innewohne, die<br />
den Idealismus der Menschen stärke und sie zu praktischer<br />
Nächstenliebe anhalte. Gerade für jugendliche Stipendiaten,<br />
v. a. angehende Lehrer und Musiker, die man auch<br />
als Multiplikatoren ansah, versprach man sich eine persönlichkeitsprägende<br />
Wirkung durch die Kunst.<br />
Auch <strong>Minden</strong>er Frauen ließen sich von den hehren Zielen<br />
des neuen <strong>Verband</strong>es begeistern, so dass sie sich im Sommer<br />
1912 zu einer Ortsgruppe zusammenschlossen.