Festschrift - Richard Wagner Verband Minden eV
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Der Lehrer und Stadtchronist Dr. Paul Keber (1885-1961)<br />
zählte zu den wenigen, männlichen Mitgliedern des<br />
<strong>Minden</strong>er Ortsverbandes. Er begleitete die ersten Nachkriegsveranstaltungen<br />
oftmals mit spitzer Feder.<br />
Eine besondere Förderung der Jugend bedeutete die Vergabe<br />
der Stipendien, mit denen auch die von den Kunstmetropolen<br />
so weit entfernten <strong>Minden</strong>er in den Genuss<br />
einer großen Festspielaufführung kamen. Für die inzwischen<br />
jährlich abgehaltenen Bayreuther Festspiele konnte<br />
der <strong>Minden</strong>er Ortsverband in den ersten fünf Jahren nach<br />
der Wiedereröffnung 45 Stipendiaten entsenden. Lichtbildvorträge<br />
sollten auch der übrigen Bevölkerung das<br />
wiedererstandene Bayreuth näher bringen und für seinen<br />
neuen Stil werben, so 1954 durch den Hamburger Hans<br />
Hauptmann über „Bayreuth als Wegbereiter des neuzeitlichen,<br />
musikalischen Theaters“ mit einem Rückblick auf die<br />
Festspiele 1952-53 und 1956 Lotte Albrecht-Potonié über<br />
„Die Bayreuther Festspiele 1955, ein Anliegen der jungen<br />
Generation.“<br />
Bisweilen überzog man aber auch die geistig-kulturelle<br />
Aufnahmefähigkeit des <strong>Minden</strong>er Publikums, so z.B. bei<br />
einem Vortrag von Dr. G. Hahn vom Mädchengymnasium<br />
am 25. November 1952 in der Aula der Besselschule, der<br />
schon mit seinem sperrigen Titel „<strong>Wagner</strong>s Musikdrama im<br />
Vergleich zu Hebbels Tragödie und im Lichte von Strawinskys<br />
musikalischer Poetik“ eher abschreckend wirkte. Stadtchronist<br />
Paul Keber, von Beruf selbst Lehrer, notierte denn<br />
auch ironisch, der Redner „entledigte sich seiner Aufgabe<br />
in gründlicher, viel Zeit beanspruchender Weise. Vielleicht<br />
hätte Strawinsky, mit dem er erst nach schon 1 ½ Stunden<br />
Vortrag begann, fehlen dürfen.“ 287<br />
Dr. Paul Keber (geb. 17. Juli 1885 Angermünde, gest. 22.<br />
Sept. 1961 in Königsfeld/Schwarzwald), einer der wenigen<br />
männlichen Mitglieder im <strong>Minden</strong>er Ortsverband und<br />
eifriger <strong>Wagner</strong>anhänger, begleitete in seiner Stadtchronik<br />
aufmerksam die Veranstaltungen der 1950er Jahre, deren<br />
Bedeutung für die Stadt er immer wieder hervorhob, an<br />
denen er aber auch nicht mit Ironie und versteckter Kritik<br />
sparte. Auch wenn Keber überspannte Vorträge wie<br />
den seines Kollegen Hahn als für das <strong>Minden</strong>er Publikum<br />
unpassend ablehnte, missfiel es ihm ebenso sehr, wenn<br />
Veranstaltungen der Vereinsdamen eher zum Kaffeeklatsch<br />
avancierten und eine bloße Geselligkeit in den Mittelpunkt<br />
rückte. Süffisant kommentiert er einen „Geselligen Nachmittag<br />
mit Musikvorträgen“ am 1. Dezember 1953 im<br />
Hause Hoppe, bei dem 70 Personen und „wenige Herren<br />
bei Tee und Gebäck“ teilnahmen: „Das Einschenken des<br />
Getränkes und das Verzehren der Plätzchen beeinträchtigte<br />
den musikalischen Teil nicht.“ 288<br />
Mitunter verweigerte sich aber auch ganz einfach das<br />
<strong>Minden</strong>er Publikum, selbst wenn der Ortsverband durch<br />
eine ausgewogene Programm- wie Preisgestaltung brei-<br />
287 Kommunalarchiv <strong>Minden</strong>, Stadt <strong>Minden</strong> OChr 1, Chronik der Stadt <strong>Minden</strong> 1952,<br />
S. 795-796 (vgl. auch Belege V 4535 a,b,c,d und V 4544).<br />
288 Kommunalarchiv <strong>Minden</strong>, Stadt <strong>Minden</strong> OChr 1, Chronik der Stadt <strong>Minden</strong> 1953, S. 926a (vgl. auch Belege V 5110 a-e).