Festschrift - Richard Wagner Verband Minden eV
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16 Carl Hermann Bitter, Die Reform der Oper durch Gluck und R. <strong>Wagner</strong>’s Kunstwerk der Zukunft, Braunschweig 1884, S. 19: „…denn es liegt nicht in meiner Natur, den Ansturm zu fürchten,<br />
der von der grossen Schaar seiner Umgebung und der ihn maasslos bewundernden Verehrer, zumal von dem musikalischen Fortschrittsringe der Bayreuther Gesinnungsgenossen erhoben worden<br />
sein würde, wenn ich es gewagt hätte, nach dem bezeichnenden Ausdrucke des Herrn Tappert [Vorsitzender des Berliner <strong>Wagner</strong> Vereins, d. Verf.] „den Meister“ meistern zu wollen.“<br />
17 Carl Hermann Bitter, Gesammelte Schriften, Leipzig/ Berlin 1885, S. 335 f.<br />
18 Winfried Schüler, Der Bayreuther Kreis. <strong>Wagner</strong>kult und Kulturreform im Geiste völkischer Weltanschauung, Münster 1971, S. 96.<br />
19 Bitter, Reform der Oper, Vorwort S. VI-VII.<br />
20 Bitter, Reform der Oper, S. 4.<br />
21 Bitter, Reform der Oper, S. 22.<br />
In musikwissenschaftlichen Abhandlungen wandte sich Carl Hermann Bitter später entschieden<br />
gegen <strong>Richard</strong> <strong>Wagner</strong>s Kunstverständnis. „Was <strong>Wagner</strong> uns in revolutionärem Drange bietet … ist in<br />
manchen Dingen ein Anderes als die große Oper, wie wir diese überkommen haben.“<br />
Nachwelt wertvolle Zeichnungen von zeitgenössischen<br />
<strong>Minden</strong>er Prominenten hinterließ. Nach seinem Wegzug<br />
aus <strong>Minden</strong> stieg Bitter zum Regierungspräsidenten in<br />
Schleswig und Düsseldorf, schließlich sogar zum preußischen<br />
Finanzminister auf. Nach seiner Pensionierung verfasste<br />
er zahlreiche musikwissenschaftliche Schriften, in<br />
denen er auch seine Kritik an <strong>Richard</strong> <strong>Wagner</strong> aufnahm. 15<br />
Auch wenn diese erst nach dem Aufbau der Festspiele und<br />
dem Tod <strong>Wagner</strong>s erschienen, gaben sie doch die Haltung<br />
Bitters schon zu Lebzeiten des Komponisten wieder, die<br />
er nur aufgrund seiner beruflichen Inanspruchnahme nicht<br />
schriftlich niederlegen konnte, wie er selbst berichtete. 16<br />
In einer Replik auf die 1883 von dem <strong>Wagner</strong>-Anhänger<br />
Moritz Wirth herausgegebene, vergleichende Schrift über<br />
„Bismarck, <strong>Wagner</strong> und Rodbertus“ schrieb Bitter: „Was<br />
den Dritten der oben genannten Männer – <strong>Richard</strong> <strong>Wagner</strong><br />
– betrifft, so bekenne ich von vornherein, daß ich<br />
der sogenannten Gegen-Gemeinde des „Meisters“ und<br />
Dichter-Komponisten angehöre, nicht als Parteimann<br />
oder absoluter Gegner seiner Opern, deren Eigenschaft<br />
als Lieblingsopern des deutschen Volkes ich freilich nicht<br />
anerkennen kann: wie könnten Tristan, die Meistersinger<br />
und der Nibelungen Ring Lieblingsopern des Volkes sein,<br />
etwa wie die Zauberflöte, der Freischütz, Czar und Zimmermann<br />
und viele andere es in der That sind? Aber als<br />
absoluter Gegner seiner Theorien, seines die Zukunft der<br />
deutschen Oper aus seinem eigenen Ich construirenden<br />
Wesens, so wie hierauf basirten Kunst-Prinzipien.“ 17<br />
Noch deutlicher wurde Bitter in seinem 1884 erschienenen<br />
Buch „Die Reform der Oper durch Gluck und R.<br />
<strong>Wagner</strong>´s Kunstwerk der Zukunft“, in dem er u. a. auf das<br />
von Karl Friedrich Glasenapp und Heinrich vom Stein veröffentlichte<br />
„<strong>Wagner</strong>-Lexikon“ reagierte, in dem sich die<br />
orthodoxe Haltung des sogenannten „Bayreuther Kreises“<br />
nach dem Tod des „Meisters“ niederschlug. 18 So prangerte<br />
er schon in der Einleitung den „<strong>Wagner</strong>-Cultus“ an, wie er<br />
vom Komponisten selbst als „Meister der Reclame“ angefacht<br />
worden sei. 19 Er geißelte nicht nur den <strong>Wagner</strong>schen<br />
Antisemitismus, wie er sich in dem „Zerrbild des Judenthums<br />
in der Musik“ gezeigt habe, sondern warf <strong>Wagner</strong><br />
sogar sozialistische Absichten vor, da er zum Mitleiden mit<br />
dem Arbeiter und zur „Empörung gegen den Besitz“ aufgerufen<br />
habe. 20 Mit Hinweis auf die Vergangenheit <strong>Wagner</strong>s<br />
meinte Bitter: „Was <strong>Wagner</strong> uns in revolutionärem Drange<br />
bietet, denn er war wie alle seine Schriften und Äusserungen<br />
bekunden, durch und durch Republikaner und<br />
Revolutionär, natürlich im Sinne äusserster Tyrannei gegen<br />
anders Denkende, ist in manchen Dingen ein Anderes als<br />
die große Oper, wie wir diese übernommen haben …“ 21<br />
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