Festschrift - Richard Wagner Verband Minden eV
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Einen besonderen Konfliktherd bildeten dabei die Bayreuther<br />
Festspiele. Zum Leidwesen des Hauses Wahnfried<br />
verfolgten die Vereinsmitglieder hier immer wieder rein<br />
materielle Ziele, wie begünstigende Kartenvergabe oder<br />
gar Einflussnahme auf die Festspielverwaltung. Im Hinblick<br />
auf die wiederholt gezeigte Unterstützung der Vereine für<br />
die Festspiele schien dieses Anspruchsdenken allerdings<br />
auch nicht unbegründet.<br />
Die ersten <strong>Wagner</strong>vereine entstanden mit dem Zweck,<br />
die vollständige Aufführung der Ring-Tetralogie finanziell<br />
zu ermöglichen und für die Bayreuther Festspiele und die<br />
<strong>Wagner</strong>sche Kunst zu werben. <strong>Richard</strong> <strong>Wagner</strong> hatte die<br />
nationale Hochstimmung im Gefolge des Deutsch-Französischen<br />
Krieges und der Reichsgründung am 18. Januar<br />
1871 gezielt genutzt, um die Umsetzung seiner lange<br />
geplanten Festspielidee in die Wege zu leiten. Deutlich<br />
priesen er und seine Anhänger den Aufbau der Bayreuther<br />
Festspiele als nationales Unternehmen an, wobei der Komponist<br />
selbst im neuen Reich noch die Verwirklichung eines<br />
idealistischen „deutschen Geistes“ erblickte – eine An-<br />
sicht, von der er sich bald enttäuscht abwenden sollte. Im<br />
April 1871 richtete <strong>Wagner</strong> einen Aufruf an die „Freunde<br />
seiner Kunst“, in denen er seine Anhänger darum bat, sich<br />
ihm „durch einfache Anmeldung Ihrer meinem Unternehmen<br />
förderlich gewogenen Gesinnung … namhaft machen<br />
zu wollen.“ 30<br />
Der Berliner Pianist Karl Tausig und die Gattin des preußischen<br />
Hausministers Marie von Schleinitz entwickelten<br />
daraufhin ein Modell zur Finanzierung der Festspiele über<br />
die Ausgabe von 1000 Patronatscheinen, die zu je 300<br />
Taler gekauft werden konnten und zum dreimaligen Besuch<br />
des gesamten Rings berechtigten. Die kostspieligen<br />
Patronatscheine konnten sich allerdings nur wenige wohlhabende<br />
<strong>Wagner</strong>freunde leisten. Emil Heckel, Musikalienhändler<br />
aus Mannheim, machte daher den Vorschlag,<br />
<strong>Wagner</strong>-Vereine zu gründen, die über Mitgliedsbeiträge<br />
gemeinschaftlich Patronatscheine erwerben und die Festspielbesuche<br />
unter den Mitgliedern verlosen sollten.<br />
Nach positiver Rückmeldung <strong>Wagner</strong>s gründete Emil Heckel<br />
am 1. Juni 1871 in Mannheim den ersten <strong>Wagner</strong>-<br />
Verein der Welt, der sich den stolzen Untertitel „Verein zur<br />
30 Veit Veltzke, Vom Patron zum Paladin. <strong>Wagner</strong>vereinigungen im Kaiserreich von der Reichsgründung bis zur Jahrhundertwende, Bochumer Historische Studien,<br />
Neuere Geschichte Nr. 5, Bochum 1987, S. 19-20.<br />
31 Emil Heckel, Die Bühnenfestspiele in Bayreuth. Authentischer Beitrag zu ihrer Entstehung und Entwicklung, Leipzig o.J., S. 22.<br />
Förderung des großen nationalen Unternehmens: Die Aufführung<br />
des Bühnenfestspiels ‚Der Ring des Nibelungen‘“<br />
gab. In rascher Folge schlossen sich nun weitere Gründungen<br />
von lokalen <strong>Wagner</strong>vereinen im In- und Ausland an,<br />
so bis zum Jahresende 1871 in Wien, Leipzig, München<br />
und Berlin. Im April 1874 bestanden insgesamt 25 <strong>Wagner</strong>vereine,<br />
die u. a. auch in den ausländischen Metropolen<br />
New York, Brüssel, London, Prag, Pest und St. Petersburg<br />
vertreten waren. 31<br />
Diese ersten, lokalen <strong>Wagner</strong>-Vereine agierten vollkommen<br />
unabhängig voneinander und entbehrten noch einer<br />
gemeinsamen Dachorganisation. Die Bemühungen des<br />
„Ur-Vereins“ in Mannheim, zu einem Vorort aller übrigen<br />
Vereine aufzusteigen, scheiterten bereits in der Planungsphase.<br />
Zahlreiche Lokalvereine erließen eigene<br />
Statuten und setzten sich teilweise sehr spezielle Ziele und<br />
Zielgruppen. So gründete sich im April 1874 erstmals ein<br />
Frauen-<strong>Wagner</strong>-Verein in Mainz – eine Idee, wie sie erst<br />
rund 40 Jahre später im „<strong>Richard</strong> <strong>Wagner</strong> <strong>Verband</strong> deutscher<br />
Frauen“ wieder aufblühen sollte.<br />
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