Festschrift - Richard Wagner Verband Minden eV
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Wiederaufnahme der Festspiele und Vereinigungsbestrebungen<br />
in den 1920er Jahren<br />
Das erhöhte Engagement stand auch im Zeichen der Bemühungen<br />
um die Wiedereröffnung der Bayreuther Festspiele.<br />
Seit 1914 ruhte der Spielbetrieb, so dass auch die Stipendienstiftung<br />
ihren eigentlichen Zweck nicht erfüllen konnte.<br />
Damit fehlte auch dem mit der Stiftung eng verbundenen<br />
„<strong>Richard</strong> <strong>Wagner</strong> <strong>Verband</strong> deutscher Frauen“ ein wichtiges<br />
Zugpferd, nämlich durch die Vermittlung von Stipendien<br />
Aufmerksamkeit zu gewinnen und auf eine populäre Art<br />
nach außen zu werben. Am 22. Mai 1921 trat in Leipzig<br />
eine Versammlung von Vertretern sämtlicher <strong>Wagner</strong>verbände<br />
und des Hauses <strong>Wagner</strong> zusammen, mit der die Wiederbelebung<br />
der Bayreuther Festspiele eingeleitet werden<br />
sollte. Ergebnis der Verhandlungen war die Gründung einer<br />
deutschen Festspielstiftung am 6. Juni 1921, die ähnlich wie<br />
1876 Patronatscheine à 1000 Mark zur Zeichnung ausgab,<br />
um mit ihnen die finanziellen Mittel für das mit nationalen<br />
Zügen verklärte Projekt zu gewinnen. Die Patronatscheine<br />
waren sogar vererbbar und begründeten den Anspruch des<br />
Inhabers auf vier verbilligte Festspielkarten.<br />
Die Unterstützung durch die lange schon ausharrenden<br />
<strong>Wagner</strong>ianer war gesichert. So rief Marianne Lange auf der<br />
nächstjährigen Hauptversammlung in Braunschweig 1922<br />
aus: „Eine Stätte leuchtet hell voraus: Bayreuth! Scharen wir<br />
uns um R.W.s Vermächtnis, helfen wir Alle, es lebendig und<br />
rein zu erhalten wie ein Heiligtum, dass es uns in trüber<br />
Zeit leuchte u. uns stärke wie einst des Grales Segen die<br />
158 Wilberg, Protokollbücher, S. 60-61.<br />
159 Wilberg, Protokollbücher, S. 63.<br />
kampfmüden Ritter von Monsalvat… Bayreuth ist das Wahrzeichen<br />
deutscher Kultur, von R.W. dem deutschen Volke<br />
geschenkt, das er wie kein Anderer liebte! In B(ayreuth) wird<br />
die Kunst um ihrer selbst willen geübt, so war es im Anfang<br />
u. so wird es immer bleiben. In reinster Harmonie u.<br />
höchster Vollendung sind alle Zweige der Kunst hier vereint,<br />
daher die verklärende u. erhebende Wirkung auf jedes Menschenherz,<br />
das sich auf dem geweihten Hügel neue Kraft<br />
gewinne! Wer einmal erlebt habe, wie in B(ayreuth) alles<br />
zusammenwächst, wie einheitlich u. vollendet die Wiedergaben<br />
dort sind, der würde die Sehnsucht nach dieser einzigen<br />
Kunst niemals los.“ 158<br />
Die 1921 ins Leben getretene „Deutsche Festspielstiftung<br />
Bayreuth“ bestand aus einem siebenköpfigen Verwaltungsrat<br />
und einem dreiköpfigen Zuteilungsausschuss: Letzterer<br />
setzte sich aus der Zentralleitung des „Allgemeinen <strong>Richard</strong><br />
<strong>Wagner</strong> Vereins“, und je einem Vertreter des „Bayreuther<br />
Bundes“ und des „<strong>Richard</strong> <strong>Wagner</strong> <strong>Verband</strong>es deutscher<br />
Frauen“ zusammen. 159 Damit waren die <strong>Wagner</strong>verbände<br />
über die Sammeltätigkeit in den eigenen Reihen deutlich<br />
am Wiederaufbau der Bayreuther Festspiele beteiligt. Insgesamt<br />
versprach sich die Festspielstiftung aus Spenden und<br />
verkauften Patronatscheinen Einnahmen in Höhe von 3 Millionen<br />
Mark. Für den „<strong>Richard</strong> <strong>Wagner</strong> <strong>Verband</strong> deutscher<br />
Frauen“ nahm die Hauptvorsitzende Marianne Lange nicht<br />
nur die obligatorische Vertretung im Zuteilungsausschuss<br />
wahr, sondern erhielt auch einen Sitz im Verwaltungsrat,<br />
wodurch sich der Einfluss des <strong>Verband</strong>es zusammen mit der<br />
durch Friedrich von Schoen ebenfalls vertretenen Stipendienstiftung<br />
weiter verstärkte.<br />
Nicht immer gestaltete sich die Arbeit der Festspielstiftung<br />
und der Wiederaufbau der Bayreuther Festspiele konfliktfrei.<br />
Ähnlich wie bei den ersten Festspielen im 19. Jahrhundert<br />
wiederholten sich die Interessenskollisionen zwischen der<br />
eigentlichen Festspielleitung unter Familie <strong>Wagner</strong> und<br />
den potenten Geldgebern und Vereinsmitgliedern, die aus<br />
einem aufgrund ihrer materiellen Leistungen erwachsenen<br />
Anspruchdenken auch einen gebührenden Einfluss auf die<br />
Führung Bayreuths einforderten. Im September 1922 hatte<br />
die Festspielstiftung bereits einen Wert von 5 Millionen<br />
Mark erreicht. Das stattliche Ergebnis wurde jedoch durch<br />
die anlaufende Inflation konterkariert und entsprach längst<br />
nicht mehr den reellen Wertverhältnissen. Auf dem Papier<br />
bestanden aber die Ansprüche aus den gezeichneten Patronatscheinen<br />
unvermindert fort, so dass bereits fast alle Karten<br />
an die engagierten <strong>Wagner</strong>ianer vergeben waren und<br />
für einen freien Verkauf nichts mehr übrig blieb. Durch den<br />
Erwerb der Patronatscheine hatten die Geldgeber das Anrecht<br />
auf vier verbilligte Karten für die Festspiele erworben.<br />
Bei 5210 ausgegebenen Patronatscheinen im Januar 1924<br />
bedeutete dies theoretisch 20.840 verplante Festspielkarten<br />
und nur noch 7000 für den aktuellen Verkauf. Kurz vor der