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Festschrift - Richard Wagner Verband Minden eV

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24<br />

Hier zeigte sich bereits die Absicht der Initiatoren, dem<br />

„ARWV“ einen populären Charakter zu verleihen und<br />

eine möglichst breite Anhängerschaft auch aus unvermögenden<br />

Schichten zu gewinnen. Dies wurde insbesondere<br />

durch einen geringen Jahresbeitrag von 4 Mark und die<br />

verlockende Aussicht auf den leichten und billigen Erwerb<br />

von Karten für die Bayreuther Festspiele befördert. Schon<br />

im ersten Vereinsjahr 1883/84 stieg die Zahl der Ortsvertretungen<br />

von 124 auf 382, die der Zweigvereine von 9<br />

auf 24 und die der Gesamtmitglieder von rund 1700 auf<br />

4576. 76 Von Jahr zu Jahr wuchs die Mitgliederzahl kontinuierlich<br />

von 5048 (1885) und 6730 (1888) auf den nie<br />

wieder erreichten Höchststand mit 8097 Mitgliedern im<br />

Jahr 1889. Der „ARWV“ hatte damit den Schritt zu einem<br />

Massenverein getan, wie er am Ende des 19. Jahrhunderts<br />

im deutschen Kaiserreich oftmals anzutreffen war. Die<br />

Zweigvereine hatten sich mittlerweile auf 27 vermehrt,<br />

vor allem da die Akademischen Vereine eine neue Gründungswelle<br />

durchlebt hatten. Neben dem unverändert und<br />

erfolgreich arbeitenden Verein in Wien folgte 1884 die<br />

Wiederbelebung in Berlin sowie Neugründungen in den<br />

Universitätsstädten München (1884), Leipzig (1883/ 1887),<br />

Tübingen (1885) und Marburg (1885). Nur wenige von ihnen<br />

hatten eine lange Überlebensdauer, obwohl sie sich<br />

durch Zurückstellen elitärer Bildungsabsichten eher weltlichen<br />

Genüssen hingaben und eine allgemeine Geselligkeit<br />

pflegten. So vollzogen sich die Vereinsabende der Leipziger<br />

Akademiker nach „studentischer Ordnung“, wobei<br />

sich an den wissenschaftlichen Vortrag der „Kneipenteil“<br />

anschloss. Auch außerhalb der Vereinssitzungen traf man<br />

sich unmissverständlich zu sogenannten „Kübeleien“, bei<br />

denen kleine Trinkhörner nur noch einen oberflächlichen<br />

Bezug zur Mythenwelt <strong>Richard</strong> <strong>Wagner</strong>s herstellten. 77<br />

Hauptanliegen des „ARWV“ war die Erhaltung und finanzielle<br />

Unterstützung der Bayreuther Festspiele. Da sich<br />

die Erbin Bayreuths, Cosima <strong>Wagner</strong>, nach dem Tod ihres<br />

Mannes in tiefster Trauer aus dem öffentlichen Leben<br />

zurückgezogen hatte, versuchten die Vereinsangehörigen<br />

immer mehr Einfluss auf die Festspiele zu gewinnen. Als<br />

die Zentralleitung im Herbst 1884 mit dem Vorschlag<br />

aufwartete, die Leitung der Festspiele auf eine „<strong>Richard</strong><br />

<strong>Wagner</strong> Festspielstiftung“ zu überführen, schreckte Cosima<br />

aus ihrer Lethargie auf. 78 Die Enterbung ihres Sohnes<br />

Siegfried vor Augen übernahm sie tatkräftig die Leitung<br />

der Festspiele, zumal sie sich durch Inkognito-Besuche im<br />

Festspielhaus, das sie seit dem Tod ihres Mannes gemieden<br />

hatte, von den Unzulänglichkeiten und eingeschlichenen<br />

Fehlern der Aufführungen überzeugen musste. Mit deutlichen<br />

Worten schrieb sie im Januar 1885 an einen ihrer<br />

wichtigsten Berater, Adolf von Groß, der die Finanzen der<br />

Familie <strong>Wagner</strong> regelte: „Sollten die Herren [des ARWV,<br />

Anm. d. Verf.] in der Lage und gesonnen sein für Erlassung<br />

des Festspielhauses, der Dekoration und Kostüme, sowie<br />

des Aufführungsrechtes des „Parsifal“ den bedeutendsten<br />

materiellen Ersatz zu bieten, so dürfte auch dieses Gebot<br />

nicht einen Augenblick Nachsinnens verursachen … Es bedarf<br />

keiner neuen Stiftung, der Stipendienfonds ist die bereits<br />

bestehende, von dem Meister selbst in das Leben gerufene<br />

‚<strong>Richard</strong> <strong>Wagner</strong>-Stiftung’… Eine andere für uns nicht hoch<br />

genug zu schätzende Wirkung des Vereins läge für uns in<br />

der Vertretung und Verbreitung der Gedanken des Meisters;<br />

die gesammelten Schriften erläuternd vorzutragen,<br />

sie der unbemittelten studierenden Jugend zuzuführen …<br />

Hat der Meister die regelmäßigen Aufführungen des ‚Parsifal‘<br />

als die ‚Schule‘ im praktischen Sinne bezeichnet,<br />

so würden solche Belehrungen die eigentliche Schule im<br />

theoretischen Sinne bedeuten.“ 79<br />

Wieder einmal prallten die Vorstellungen Wahnfrieds, die<br />

auf die Unabhängigkeit der Festspiele als Familienunternehmen<br />

und eine gläubig-idealistische Arbeit der Vereine<br />

ausgerichtet waren, mit den materiellen Ansprüchen und<br />

Eingriffen des „ARWV“ zusammen. Noch bildete dieser<br />

aber durch seine Spendenleistungen das finanzielle Rückgrat<br />

der Festspiele und das Gros der Besucher wurden von<br />

den Vereinsmitgliedern gestellt. Insofern hatte Cosima<br />

<strong>Wagner</strong> zunächst eine Kompromisslinie einzuschlagen.<br />

1885 schaltete sie ein Freijahr bei den Bayreuther Festspielen<br />

ein, um diese künstlerisch neu auszurichten. Nach<br />

und nach sollten sämtliche Musikdramen <strong>Wagner</strong>s in den<br />

Formen aufgeführt werden, die nach Cosimas Vorstellung<br />

vom „Meister“ autorisiert waren oder seinen Intentionen<br />

entsprachen. 1886 öffneten die Festspiele wieder mit<br />

76 Wolzogen, Ein Jahrzehnt, S. 352.<br />

77 Veltzke, Vom Patron zum Paladin, S. 336 ff. Zur Geschichte der Akademischen Vereine vgl. auch: R. Linnemann, 50 Jahre Akademische <strong>Richard</strong> <strong>Wagner</strong>-Vereine, in: Bayreuther Blätter 1927, S. 217 ff.<br />

78 Veltzke, Vom Patron zum Paladin, S. 350-358.<br />

79 Günther Wilberg, Die Protokollbücher des <strong>Richard</strong> <strong>Wagner</strong> <strong>Verband</strong>es Deutscher Frauen e.V. 1909-1949, Freiburg 1993, Vorwort S. VI.

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