s too braunschweigisches jahrbuch - Digitale Bibliothek Braunschweig
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Rückblick: Das Fortbildungsschulwesen bis 1918<br />
Zum besseren Verständnis der Kontroversen in der Weimarer Republik scheint ein kurzer<br />
Rückblick auf die Entwicklung des beruflichen Schulwesens vor 1918zweckmäßig. Vorläufer<br />
und Vorformen der modernen "Berufsschule" - dieser Terminus wurde 1920 im Kontext<br />
der Planungen eines Reichsberufsschulgesetzes eingeführt - waren die gewerblich<br />
orientierten Sonntags- und die im 19. Jahrhundert entstandenen allgemeinen Fortbildungsschulen<br />
J). Sie wurden errichtet, um den jugendlichen Volksschulabgängern neben der betrieblichen<br />
Ausbildung eine vertiefte Elementar- respektive Fortbildung zukommen zu lassen.<br />
Staat, Gemeinden und private Träger verfolgten mit der Förderung des Fortbildungsschulwesens<br />
zum einen eine jugemlpflegerische und politisch disziplinierende Absicht. Der<br />
Fortbildungsunterricht diente nicht zuletzt der Kontrolle und staatsbürgerlichen Erziehung<br />
der- meist männlichen - Jugendlichen über den Besuch der Volksschule hinaus, was<br />
im 19. Jahrhundert vielfach bedeutete, die in der Elementarschule begonnene Erziehung<br />
zum "Untertan" und zur Unterordnung unter die staatliche Obrigkeit zu festigen und den<br />
Unterschichten bürgerliche Normen zu vermitteln 4). Mit dieser Aufgabe war die Fortbildungsschule<br />
nur als Pflichtschule zu denken. Seit den 1870er Jahren nahm sie, staatlicherseits<br />
gefördert, einen erheblichen Aufschwung, der in einigen Ländern mit der Einführung<br />
einer Fortbildungsschulpflicht für Lehrlinge unter 18 Jahren einherging.<br />
Auf der anderen Seite waren es wirtschaftspolitische Motive, die den Staat und teilweise<br />
auch die Innungen zur Förderung des Fortbildungsschulwesens veranlaßten. Der Ausbau<br />
der Fortbildungsschulen stand ebenso wie die Gründung technischer Fach-, Gewerbe- und<br />
Handelsschulen in der Tradition der mittelbaren Wirtschafts- und Gewerbeförderung<br />
durch die Anhebung des (Aus)Bildungsniveaus der Arbeitskräfte in Handel und Gewerbe.<br />
In einigen Ländern, wie z. B. Preußen, war das berufliche Faeh- und Forbildungsschulwesen<br />
folgerichtig den wirtschaftlichen Verwaltungsbehörden unterstellt.<br />
In der Tat wuchsen mit fortschreitender Industrialisierung gegen Ende des 19. Jahrhunderts<br />
die fachlichen Anforderungen an die Angestellten, Arbeiter und Handwerker in vielen<br />
Berufen. Es lag daher nahe, der berufsbegleitenden Fortbildungsschule zunehmend<br />
fachinhaltliche Aufgaben zu übertragen. Das Konzept der allgemeinbildenden Fortbildungsschule<br />
wurde zu dem der berufsorientierten und in Fachklassen gegliederten "Berufsschule"<br />
weiterentwickelt. Das theoretische Grundgerüst für die Verbindung von allgemei-<br />
3) Zur Entwicklung des beruflichen Schul- und Bildungswesens in Deutschland im 19. Jahrhundert<br />
im Überblick: Herwig Blankertz, Bildung im Zeitalter der großen Industrie. Hannover 1969.<br />
Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte, hrsg. v. Christa Berg u.a., Bd. III-V, München<br />
1987-1991 (darin jeweils die Ahschnitte üher Bemfshildung; dort auch weiterführende Literatur).<br />
Wolfgang M u th, Berufsausbildung in der Weimarer Republik (= Zeitschrift für Unternehmensgeschichte,<br />
Beiheft41). Stuttgart 1985, S. 12-40. Simon Thyssen, Die Berufsschule in Idee<br />
und Gestalt. Essen 1954.<br />
4) Dazu auch Walter G eo rg und Andreas Ku nze, Sozialgeschichte der Berufserziehung. Eine Einführung.<br />
München 1981, S. 47 ff., 64 ff.<br />
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http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042631