s too braunschweigisches jahrbuch - Digitale Bibliothek Braunschweig
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<strong>Digitale</strong> <strong>Bibliothek</strong> <strong>Braunschweig</strong><br />
ner und beruflicher Bildung lieferten zu Beginn des 20. Jahrhunderts Pädagogen wie Alois<br />
FischerS), Eduard Spranger 6 ) und vor allem Georg Kerschensteiner 7 ), die in der Berufsweit<br />
und dem beruflichen Erfahrungsraum der erwerbstätigen Jugendlichen den Ausgangsund<br />
Anknüpfungspunkt einer allgemeinen "Menschenbildung" sahen. Dabei orientierten<br />
sich die beruflichen Bildungskonzeptionen allerdings am Modell des Lehrlings im Handwerksbetrieb<br />
und damit vornehmlich an ,mittelständischen' Interessen.<br />
In der Praxis geriet namentlich die gewerbliche Fortbildungsschulc, um die es hier hauptsächlich<br />
gehen soll, zur Jahrhundertwende zunehmend in das Spannungsfeld wirtschaftlicher,<br />
bildungspolitischer , staatlicher und kommunaler Interessen unterschiedlichster<br />
Schattierung. Ungeachtet des Aufschwunges, den das Fortbildungsschulwesen in dieser<br />
Zeit nahm, konnte sich die fachlich gegliederte Pflichtfortbildungsschule im Kaiserreich<br />
nicht überall durchsetzen, teils weil es auf lokaler und betrieblicher Ebene Widerstände<br />
gegen eine staatliche Normierung des Fortbildungsschulwesens gab, teils weil die bildungspolitischen<br />
Zielsetzungen der Interessengruppen und Parteien zu stark divergierten. Wie<br />
z. B. das Scheitern der Gesetzesvorlage zur Einführung der Fortbildungssehulpflicht in<br />
Preußen 1911 an einer Kontroverse über die Einführung der Religion als Pflichtfach zeigte,<br />
existierten nach wie vor zwei grundsätzlich unterschiedliche Berufsschulauffassungen 8 ):<br />
während sich die einen (im konkreten Fall die preußische Bürokratie, die liberale Fortschrittspartei<br />
und Interessenvertreter des Handwerks) am Modell einer rein fachbezogenen,<br />
die Werkstattausbildung ergänzenden Berufsschule orientierten, schrieben die anderen<br />
(so die katholische Zentrumspartei und ein Teil der Konservativen, mit anderen weltanschaulichen<br />
Vorzeichen aber auch die Sozialdemokraten 9» der Fortbildungsschule weiterhin<br />
die Funktion einer allgemeinbildenden Lehranstalt und Fortsetzung der Volksschule<br />
zu.<br />
Das Herzogtum <strong>Braunschweig</strong> gehörte zur Jahrhundertwende zu jenen Ländern, in denen<br />
das Fortbildungswesen noch kaum entwickelt war. Zur Einführung der allgemeinen Fortbildungspflicht<br />
kam es vor dem Ersten Weltkrieg auch hier nicht. Allerdings waren in den<br />
eineinhalb Jahrzehnten vor Ausbruch des Krieges im Herzogtum Bemühungen um eine<br />
Verbesserung des gewerblichen Fortbildungssystems erkennbar. Nachdem 1895/96 aufIn-<br />
5) Vgl. etwa Alois Fischer, Berufsbildung und Allgemeinbildung; in: Zeitschrift für Pädagogische<br />
Psychologie 12, 1911, S. 165-175. Ders., Ethik und Soziologie des Berufes in der Schulerziehung;<br />
in: Handbuch für das Berufs- und Fachschulwesen, Hrsg. v. Alfred Kühne. Leipzig 1929,<br />
S.43-6O.<br />
6) Vgl. z.B. Eduard Spranger, Grundlegende Bildung, Berufsbildung, Allgemeinbildung; in:<br />
Ders., Kultur und Erziehung. Gesammelte pädagogische Aufsätze. 4. Aufl., Leipzig 1928, S.<br />
186-204. D e rs., Berufsbildung und Allgemeinbildung; in: Handbuch für das Berufs- und Fachschulwesen<br />
(wie Anm. 5), S. 27-42.<br />
7) Z. B. Georg Kerschensteiner, Beruf oder Allgemeinbildung?; in: Der S., Grundfragen der Schulorganisation.<br />
Leipzig 1907, S. 23-45. D e rs., Berufserziehung im Jugenalter; in: Handbuch für<br />
das Berufs- und Fachschulwesen (wie Anm. 5), S. 83-98.<br />
8) Vgl. Gustav Grüner, 1911- das "berufspädagogische Sturmjahr"; in: Die berufsbildende Schule<br />
13, 1961, S. 396 ff.<br />
9) Vgl. Wolfgang W. Witter, Die sozialdemokratische Schulpolitik in der Weimarer Republik. Ein<br />
Beitrag zur pOlitischen Schulgeschichte im Reich und in Preußen. Berlin 1981, S. 45 ff.<br />
http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042631<br />
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