s too braunschweigisches jahrbuch - Digitale Bibliothek Braunschweig
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Die Vertreter der bürgerlichen Parteien drängten dagegen auf eine stärkere Mitbestimmung,<br />
so nicht Trägerschaft der Berufsschule durch Interessenverbände, Handwerkerinnungen<br />
und Lehrherren und die Unterstellung der Berufsschulangelegenheiten in die Zuständigkeit<br />
des Wirtschafts- an Stelle des Volksbildungsministeriums. Weiter wurden die<br />
Konzentration des Unterrichts auf den engeren Fachunterricht, eine Verringerung der angestrebten<br />
Unterrichtsstunden und die Eingrenzung der Berufsschulpflicht auf Lehrlinge<br />
gefordert.<br />
Die vorgebrachten Kritikpunkte brachten darüber hinaus zum Ausdruck, daß der Entwurf<br />
den Vertretern der DVP und DNVP in einer bildungspolitischen Zielsetzung zu weit ging,<br />
dem Staat - aus ihrer Sicht - zu viel und den Lehrherren zu wenig Einfluß einräumte 61 ).<br />
Nach Maßgabe der Bürgerlichen verfolgte das Berufsschulgesetz in der vorgelegten Form<br />
in erster Linie den Zweck, dt!r "sozialistisl:hen" Landesregierung (mit umgekehrten Vorzeichen<br />
wie vor dem Krieg dem herzoglichen Staatsministerium) die politische Einflußnahme<br />
auf die Jugend zu sichern und die Berufsschule zu einem Instrument "solzialistischer"<br />
Politik zu machen.<br />
Zusätzliche Nahrung erfuhr diese Befürchtung in der Landtagsdebatte durch eine Auseinandersetzung<br />
zwischen dem kommunistischen Abgeordneten Winter und dem SPD-Abgeordneten<br />
Rieke. In Entgegnung auf Angriffe Winters, dem das Gesetz in Fragen der staatsbürgt!rlil:hen<br />
resprektive politischen Erziehung nkht weit genug ging, strich Ricke noch<br />
einmal die übergeordneten Erziehungsziele der Sozialdemokraten heraus und betonte den<br />
besonderen Wert, den die SPD dabei dem staatsbürgerlichen Unterricht beimaß, der die<br />
Schükr zum neuen Staat hinführen, sie für die Weimarer Demokratie gewinnen sollte:<br />
"weil wir den neuen Staat bejahen - wir wollen ja Macht und Einfluß gewinnen, wenn wir<br />
auch nil:ht der Meinung sind, daß dieser Staat schon so ist, wie wir ihn gern haben möchten<br />
-, meinen wir, daß die Hinführung zum Staat notwendig ist". In diesem Zusammenhang<br />
sollten speziell Arbeitnehmerinteressen im Unterricht eine starke Berül:ksil:htigung finden<br />
62 ).<br />
Neben der vermeintlich "sozialistischen" Stoßrichtung des Entwurfs, gab es eine Reihe<br />
weiterer Gründe, die die bürgerliche Opposition gegen die Vorlage vorbrachte. Sie betrafen<br />
in erster Linie die Finanzierungsfrage. Zum einen wurde es als ungerechtfertigt angesehen,<br />
daß ausgerechnet die Gemeinden, denen die Aufsicht üher das Berufsschulwesen entzogen<br />
wurde, in so weitreichender Form zur Mitfinanzierung herangezogen werden sollten.<br />
Zum zweiten war absehbar, daß die Neuorganisation des Berufsschulwesens mit erheblichen<br />
Kosten verbunden sein würde. Deshalb sollte das Berufsschulgesetz nach Ansicht<br />
der bürgerlichen Finanzexperten zumindest solange zurückgestellt werden, bis eine<br />
Klärung der finanziellen Verhältnisse des Landes erfolgt war 63 ). In der Tat sollte der Kostenaufwand<br />
sich im Zeichen der hereinbrechenden Wirtschaftskrise zum gewichtigsten<br />
Argument gegen das Berufsschulgesetz entwickeln.<br />
61) Ebd.<br />
62) Ebd. Sp. 1323.<br />
63) Vgl. etwa Antrag der DNVP in der zweiten Lesung am 24. 1. 1929, Lt 1927-1930, Sp. 1535 ff.<br />
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http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042631