s too braunschweigisches jahrbuch - Digitale Bibliothek Braunschweig
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<strong>Digitale</strong> <strong>Bibliothek</strong> <strong>Braunschweig</strong><br />
itiative der Handelskammer zunächst eine Reorganisation des weiterentwickelten kaufmännischen<br />
Fortbildungswesens erfolgt war 10), wurden 1902 - wohl auf Veranlassung der<br />
Handwerkerverbände - auch die Neuordnung des gewerblichen Fortbildungswesens beraten<br />
und Grundsätze für die Errichtung einer neuen Handwerker-Fortbildungsschule mit<br />
Fortbildungspflicht in <strong>Braunschweig</strong> festgelegt 11).1908 schließlich verabschiedete die Landesversammlung<br />
ein "Gesetz über die Regelung des Fortbildungswesens im Herzogtum<br />
<strong>Braunschweig</strong>" 12), das sich im wesentlichen an den gemäßigten Bestimmungen der Gewerbeordnung<br />
orientierte.<br />
Immerhin wurde damit ein Handlungsbedarf von der herzoglichen Regierung anerkannt,<br />
die in der Begründung zur Gesetzesvorlage zugestand, daß das Fortbildungsschulwesen im<br />
Herzogtum hinter dem der anderen Reichsländern deutlich zurückgeblieben war 13 ). Nur<br />
ein Drittel der unter 18jährigen männlichen Jugendlichen des Herzogtums - das waren<br />
etwa 1800 von 6000 - besuchte 1908 eine gewerbliche Fortbildungsschule. Eine einheitliche<br />
gesetzliche Regelung des Fortbildungswesens fehlte bis dahin ebenso, wie eine zusammenfassende<br />
Organisation und eine koordinierende Aufsichtsbehörde. Diesen Mißständen<br />
sollte nun abgeholfen werden, zumal das herzogliche Ministerium (im Einklang mit den<br />
Handwerkervereinigungen) eine Anhebung des Bildungsgrads der Jugendlichen als notwendigen<br />
Schritt zur Stärkung der regionalen Wirtschaftskraft ansah. Neben der berufsbildenden<br />
Funktion wurden der Fortbildungsschule weiterhin jugendpflegerische Aufgaben<br />
zugeschrieben. Nach dem Wunsch der Landesbehörden sollte sie den Lehrlingen als berufsbildende<br />
Schule nicht nur die notwendigen beruflichen Fachkenntnisse vermitteln, sondern<br />
auch der "allgemeinen Volkserziehung" dienen, um damit der "Verwahrlosung und<br />
Orientierungslosigkeit" der Jugendlichen vorzubeugen und sie dem Einfluß der politischen<br />
Arbeiterbewegung und "gewissenlosen" älteren Arbeiter zu entziehen 14).<br />
Mit dieser Zweck bestimmung entsprach die Fortbildungskonzeption der herzoglichen Regierung<br />
wie andernorts den Interessen und Werthaltungen der bürgerlich-konservativen<br />
10) Für die kaufmännischen Lehrlinge wurde über die bereits bestehenden Bestimmungen in <strong>Braunschweig</strong>,<br />
Blankenburg, Holzminden und Königslutter hinaus auch in den anderen Städten des<br />
Landes per Gemeindestatut die Besuchspflicht eingeführt, ferner wurde die Aufsicht über das<br />
kaufmännische Berufsschulwesen der Handelskammer übertragen. Dazu u. a.: Kaufmännisches<br />
Fortbildungs-Schulwesen: 11. Der gegenwärtige Stand des kaufmännischen Fortbildungsschulwesens<br />
( ... ); zusammengestellt ( ... ) von Richard Stegem anno <strong>Braunschweig</strong> 1896, S. 267 ff. Ferner:<br />
60 Jahre Deutscher Verband für das Kaufmännische Bildungswesen e. V., 1895-1955 (=<br />
Veröffentlichungen des Deutschen Verbandes für das kaufmännische Bildungswesen, Bd. 88).<br />
<strong>Braunschweig</strong> 1955, S. 13 ff.<br />
11) Vgl. Niedersächsiches Staats archiv Wolfenbüttel (weiter Nds. StA Wf) 12 A Neu Fb. 9 Nr. 4132.<br />
Ferner Leo Her b s t, Die Fortbildungsschule im Herzogtum <strong>Braunschweig</strong>. Ein Beitrag zu ihrer<br />
Förderung. <strong>Braunschweig</strong>, Leipzig 1907.<br />
12) Vgl. <strong>Braunschweig</strong>ische Gesetzes- und Verordnungssammlung 1908, Nr. 84.<br />
13) Hierzu und zum Folgenden vgl. Begründung zum Gesetz über das Fortbildungsschulwesen vom<br />
14. 12. 1908 durch den Fortbildungsschulinspektor H. Heinemann in: Nds. StA Wf 12 A Neu Fb.<br />
9 Nr. 3566.<br />
14) Ebd.<br />
110<br />
http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042631