s too braunschweigisches jahrbuch - Digitale Bibliothek Braunschweig
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<strong>Digitale</strong> <strong>Bibliothek</strong> <strong>Braunschweig</strong><br />
staaten Bremen, Hamburg und Lübeck gegeben. <strong>Braunschweig</strong> war also keineswegs das<br />
erste Land, das nach dem Ausbleiben eines Reichsberufsschulgesetzes den Ausbau und die<br />
Reform des Berufsschulwesens in eigener Regie vorantrieb, wobei zu bemerken ist, daß<br />
solche Landesinitiativen in finanzieller Hinsicht um den Preis des Verzichts auf jegliche<br />
Reichszuschüsse erkauft werden mußten.<br />
Aufmerksamkeit verdient Sievers Entwurf vor allem deswegen, weil er ähnlich wie die<br />
Schulgesetzgebung einen konsequenten Versuch darstellte, die bildungspolitischen Ziele<br />
der Sozialdemokraten auch auf dem Gebiet des Berufsschulwesens in praktische Politik<br />
umzusetzen - im konkreten Fall vor allem durch die Einführung der allgemeinen Fortbildungspflicht<br />
für alle Volksschulabgänger bis zum 18. Lebensjahr und den Ausbau des Fortbildungswesens<br />
zum ergänzenden Zweig des allgemeinbildenden Schulwesens. Dabei war<br />
Sievers allerdings durchaus bemüht, das Urteil von Bildungsexperten und Berufspraktikern<br />
einzuholen. Bei der Landtagsvorlage handelte es sich bereits um einen Referentenentwurf,<br />
der zuvor zur Begutachtung den Kammern und Lehrerverbänden vorgelegen<br />
hatte und deren Anregungen berücksichtigte 44 ).<br />
Entsprechend den Vorgaben der Reichsverfassung sah der Gesetzentwurf als wichtigste<br />
Bestimmung die Einführung der allgemeinen Berufsschulpflicht für alle jugendlichen Beschäftigten<br />
nach Abschluß der Volksschule bis zum 18. Lcbensjahrvor 45 ). Außer den Lehrlingen<br />
im engeren Sinne wurden damit auch die ungelernten jugendlichen Arbeiter - einschließlich<br />
der Landarbeiter - berufsschulpflichtig. Sie stellten, ebenso wie die Mädchen,<br />
nach Darstellung sievers sogar eine besondere Zielgruppe des Gesetzes dar. Die Regelung<br />
entsprach damit dem Anliegen der Sozialdemokraten, die Berufsschulpflieht möglichst<br />
weit auszudehnen, um auch die beruflichen Randgruppen und proletarischen Jugendlichen<br />
zu erfassen.<br />
Eine zweite zentrale Bestimmung sah vor, das Berufsschulwesen - in Annäherung an die<br />
Verhältnisse in den anderen Zweigen des allgemeinbildenden Schulwesens - in Zukunft<br />
von der kommunalen in die staatliche Trägerschaft zu ühernehmen und der unmittelbaren<br />
Aufsicht durch den Volksbildungsminister zu unterstellen 46). Die Einrichtung der Berufsschulen<br />
sollte nach Anhörung der beteiligten Gemeinden durch den Minister für Volksbildung<br />
erfolgen, der zu diesem Zweck Berufsschulverbände aus mehreren Gemeinden bilden<br />
konnte (zur Einrichtung sogenannter "Bezirksberufsschulen")47). Soweit es die Kosten<br />
betraf, war eine Beteiligung der Gemeinden und Kreisgemeindeverbände vorgesehen,<br />
die zusammen 50 % der persönlichen und 100 % der sachlichen Ausgaben übernehmen<br />
sollten 48) - eine Regelung, die später besonders massiven Protest hervorrief.<br />
Aufgabe der Berufsschule sollte es sein, "die Schulpflichtigen zu verantwortungsbewußten<br />
und leistungsfähigen Menschen im Berufe, im Staate und in der Gesellschaft zu erziehen<br />
44) Vgl. Lt 1927-1930,Sp.1311.<br />
45) Vgl. Vorlage zum Berufsschulgesetz, Lt 1927-1930, D 127, § 2.<br />
46) Ebd., § 1, § 15. Vgl. auch Erläuterungen Sievers in: Lt 1927-1930, Sp. 1312 f.<br />
47) Vorlage zum Berufsschulgesetz, Lt 1927-1930, D 127, § 1, Abs. 2.<br />
48) Ebd. § 23.<br />
http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042631<br />
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