04.01.2013 Aufrufe

WAGENBURGKULTUR IN DEUTSCHLAND - mit einer ... - Wagendorf

WAGENBURGKULTUR IN DEUTSCHLAND - mit einer ... - Wagendorf

WAGENBURGKULTUR IN DEUTSCHLAND - mit einer ... - Wagendorf

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Hybridhistorie<br />

Sprecher, um die markantesten Berufsfelder und Lebensstile 8 zu nennen (u.a. BACHFISCHER<br />

1998). Auch gehörten Angehörige der ethnischen Minderheit der Sinti und Roma 9 ab dem 15.<br />

Jahrhundert zum stetig mobilen Teil der Bevölkerung. Allen gemein war der verminderte<br />

rechtliche Status gegenüber den Sesshaften. Eine Minderung, die bis zur völligen Entrechtung<br />

und gar Vogelfreisetzung führen konnte. So findet man zum Beispiel im Passauer Stadtrecht<br />

aus dem Jahr 1300 folgende lakonische Rechtsauffassung: „wer farund volk, das gut für er<br />

nimbt, schilt oder slecht, der ist dem richter nichts darumbe schuldich.“ 10 (BACHFISCHER<br />

1998: 55)<br />

Der verminderte Rechtsanspruch, sowie Ausgrenzung aufgrund äußerer Merkmale<br />

verhinderten eine gleichberechtigte Koexistenz oder gar Symbiose <strong>mit</strong> dem sesshaften Teil<br />

der Bevölkerung. „Konnte beispielsweise ein verarmter Edelmann zum fahrenden Spielmann<br />

werden, so gab es für die kommenden Generationen keinen Weg mehr zurück; sie und ihre<br />

Kinder blieben Musikanten, oder ähnlich gering geachtete. Auch Kleriker verloren ihre<br />

Position und ihre Sonderstellung als Geistliche, wenn sie längere Zeit das Leben von<br />

Fahrenden geführt hatten. Eine erneute Aufnahme in eine Adels-, Stadt-, Dorf-, oder<br />

Pfarrgemeinschaft war nahezu ausgeschlossen.“ (BACHFISCHER 1998: 20) Die<br />

Marginalisierung bekam noch ihren paradigmatischen Unterbau durch die <strong>mit</strong>telalterliche<br />

Vorstellung von ordo und status als die prädestinierte gottgewollte Standesabfolge innerhalb<br />

des Gesellschaftsgefüges.<br />

Auch begegnete man den Fahrenden <strong>mit</strong> äußerster Skepsis, da sie - bedingt durch ihre<br />

fast kontinuierliche Mobilität - oft als namenlose Fremde verblieben. Misstrauen, Vorsicht<br />

und Ablehnung waren Reaktionsmuster der Sesshaften, welche fest in familienartige oder<br />

dorfähnliche Strukturen – auch noch bestehend in den neu aufkommenden Gründungsstädten<br />

des 13. Jahrhunderts 11 – eingebunden waren und dieses Sozialgeflecht bei den mobilen<br />

Lebensstilen nicht ausfindig machen konnten. „Im Mittelalter bedeutete fremd sein soviel wie<br />

»ellende« sein.“ (BACHFISCHER 1998: 24 ff). Vorsichtig formuliert ließ sich sagen, dass die<br />

kurze temporäre und räumliche Nähe zwischen zwei Lebensweltmilieus zur Herausbildung<br />

von Ressentiments führen konnte.<br />

Dennoch gab es auch eine Reihe positiv besetzter Vorurteile, welche man dem<br />

Fahrenden Volke zuschrieb. So wurden sie geschätzt als Komödianten oder Spielmänner.<br />

Ihre Mobilität diente zum Über<strong>mit</strong>teln von Nachrichten und Informationen aller Art. Man<br />

8<br />

Auffällig ist hierbei, wieviele Bezeichnungen heute noch von <strong>einer</strong> negativen Kronotation<br />

begleitet sind, sofern sie alltagssprachig noch gebräuchlich sind.<br />

9<br />

Auf die seit 1417 über Böhmen eingewanderte Minderheit wird noch ausführlich als<br />

Anbindepunkt zur heutigen Wagenburgkultur in der Fallstudie Freiburg eingegangen werden.<br />

„Am Schicksal jener Menschen, die man seit dem 19. Jahrhundert als Inbegriff des fahrenden<br />

Volkes verstand, am Schicksal der Zigeuner also, lässt sich der neue Wille der Obrigkeit<br />

ablesen.“ (SCHUBERT: 1995: 362; vgl.: KROPP 1997: 3.1.3)<br />

10<br />

„Wer fahrendes Volk, das Geld anstatt Ehre nimmt, beschimpft oder schlägt, der ist dem<br />

Richter deshalb nichts schuldig.“<br />

11<br />

Epoche der Gründungsstädte ab 1120 (Freiburg: 1120 Gründung/1120 Stadtrecht)<br />

13

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!