WAGENBURGKULTUR IN DEUTSCHLAND - mit einer ... - Wagendorf
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Lebenswelt<br />
Frankfurt am Main hatte zu diesem Zeitpunkt bereits eine Siedlung außerhalb der<br />
Stadt für fahrende Minderheiten errichtet. In vielen anderen deutschen Städten wurde<br />
versucht, <strong>mit</strong> Privatwohnungen eine dezentrale Integration zu leisten. Hierbei wären zum<br />
Beispiel Hannover, Herford, Kiel oder Minden zu nennen. Freiburg gehörte zusammen <strong>mit</strong><br />
Frankfurt an der Oder und Darmstadt zu jenen Städten, welche einen offiziellen<br />
Landfahrerplatz außerhalb der Stadt ausgewiesen hatten. Die Fläche für mobile Wohnformen<br />
befand sich im Westen der Stadt jenseits des Bahnkörpers in un<strong>mit</strong>telbarer Nähe zum<br />
städtischen Zentralfriedhof (Hugstetter Straße). Der im Volksmund betitelte „Zigeunerplatz“<br />
lag hier in <strong>einer</strong> 4 bis 6 Meter tiefen Kiesgrube, wo der Aufenthalt polizeilich kontrolliert<br />
wurde und „nach Ablauf <strong>einer</strong> genehmigten Frist müsse [hier] <strong>mit</strong> aller Strenge auf eine<br />
Weiterreise bestanden werden.“ (MEHL / DETTL<strong>IN</strong>G 1978: 4 ff.).<br />
Unter dem Stichwort „Straßenbetteln und Zigeuner“ wird man im Stadtarchiv weiter<br />
fündig, Dokumente der Jahre 1920 bis 1939 sind in Aktenform einsehbar. Es finden sich<br />
Befürchtungen, die oftmals kinderreichen Familien könnten der Stadtkasse zur Last fallen. Es<br />
werden Überlegungen angestellt, das Verpachten von Privatflächen an Wagenbesitzer zu<br />
verbieten. Verschiedene Verlegungen des Platzes werden erwogen, um ein nahe liegendes<br />
Bauvorhaben nicht zu behindern. Als intolerabel wird hierbei oftmals schon der reine<br />
Sichtkontakt empfunden. So drängt das Liegenschaftsamt im Jahre 1933 darauf, einen<br />
anderen Standort zu finden, da immer mehr Wagen auch außerhalb der Senke zu sehen sind.<br />
Ein ehemaliger Exerzierplatz, ein unbenutzter Fliegerschießstand (Mooswald), sowie eine<br />
weitere Kiesgrube (Lehenerstraße) werden als Verschiebungsstandorte angedacht.<br />
Im Jahre 1935 kommt es dann zur Umsiedlung der Wagen in eine andere stillgelegte<br />
Kiesgrube zwischen Güterbahntrasse und landwirtschaftlichen Nutzflächen am westlichen<br />
Stadtrand (Opfingerstraße). Die 2900 qm umfassende Senke wird von der Stadt Freiburg von<br />
einem lokalen Bauunternehmer für 25 Reichsmark pro Jahr gepachtet. Eine vierteljährliche<br />
Kündigungsfrist gewährt dem Eigentümer weiterhin einen kurzfristigen Nutzungswandel des<br />
Geländes. Im Vergleich zum vorhergehenden Grubenplatz beträgt nun die Entfernung zur<br />
Kernstadt mehr als das Dreifache (circa 4 km). Weitere Folge ist auch, dass an anderen<br />
Stellen der Stadt keine Wagen mehr geduldet werden, wodurch die Einsprüche von Seiten<br />
verschiedenster Interessengruppen gegen den einen verbliebenen Platz jedoch nicht aufhören.<br />
So legt die Badische Kraftlieferungs-Gesellschaft eine Verwahrung beim Oberbürgermeister<br />
der Stadt ein, da sie beabsichtige, im Umfeld der Grube Elektrizitätswerkpersonal<br />
anzusiedeln: “Wir beabsichtigen durch die Einlegung dieses Protestes nicht, unserer Firma<br />
irgendwelche Vorspanndienste zu leisten, wie wir auch ebenso wenig dem fahrenden Volk die<br />
Berechtigung absprechen, als Volksgenossen zu leben. Wir haben lediglich das eine Interesse,<br />
unsere Arbeitskameraden vor einem gewissen Minderwertigkeitsgefühl zu bewahren, als<br />
schaffende Menschen im Kreise fahrenden Volkes leben und wohnen zu müssen.“ (MEHL /<br />
DETTL<strong>IN</strong>G 1978: 5)<br />
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