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WAGENBURGKULTUR IN DEUTSCHLAND - mit einer ... - Wagendorf

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➣ 6.2.6<br />

J: Du kannst abends ab sieben erst rein und musst morgens um sieben wieder raus. Tagsüber<br />

darfst du nicht rein. Aber Obdachlosenheim ist generell für uns nichts, wir sind ja nicht<br />

obdachlos, wir leben ja in Wägen. Ich weiß auch nicht, was in denen ihrem Kopf vorgeht.<br />

F: Wie geht eine Räumung vor sich? Wie muss man sich das vorstellen?<br />

J: Unsere letzte Räumung ging zum Beispiel so vor sich: Wir waren unvorbereitet. Morgens<br />

um halb sieben sind 100 Beamte aufmarschiert. Einer von uns war noch wach. Sie haben die<br />

Wohnwägen umstellt komplett. Haben den Platz abgeriegelt. Haben die Straßen abgeriegelt,<br />

dass also niemand an den Platz ran kam, von unseren Unterstützern oder der Presse. Oder<br />

auch nur in die Nähe. Daraufhin wurde uns eine Minute Zeit gegeben, die Türen sofort<br />

aufzumachen und raus zu kommen, woraufhin ner Bekannten von uns auch mal die Tür<br />

aufgemacht wurde und dem Hund der dann heraus kam, wurde dann sofort die Knarre vors<br />

Gesicht gehalten. Dann wollten sie den Hund noch abschießen. Mir drohten sie, dass sie die<br />

Tür aufbrechen, wenn ich nicht sofort die Tür aufmache. Eine Bekannte, die bei mir gepennt<br />

hatte, musste so<strong>mit</strong> <strong>mit</strong> den Unterhosen heraus, musste sich rausstellen. Die haben sich<br />

natürlich schön darüber lustig gemacht. Und dann ging es ab. Wir wurden jeweils von vier<br />

Beamten eskortiert vom Platz geführt. Einen Rucksack durften wir <strong>mit</strong> unserem Zeug packen<br />

und wurden dann vom Platz weggetrieben. Woraufhin die Stadt dann <strong>mit</strong> Müllmännern,<br />

Abschleppunternehmen und Gerichtsvollzieher unser Zeug verschrottet und abgeschleppt hat.<br />

Bauwägen und Wohnwagen wurden zum Teil an Ort und Stelle verschrottet. Teile unseres<br />

persönlichen Eigentums wurden in den Müll geworfen. Es gab dann aber auch keine<br />

Alternative. Worauf wir wieder unter der Brück wohnten.<br />

F: Kann man Einspruch hiergegen erheben?<br />

J: Wir haben Anzeige erstattet gegen die Polizei wegen Diebstahl und Sachbeschädigung,<br />

aber bisher ist noch nichts gekommen. Von den Bullen hören wir auch immer, macht doch<br />

Anzeige, die Richter stehen eh auf unserer Seite. Und man sieht es ja auch, in Baden-<br />

Württemberg sind in den letztem 5 Jahren zwei Polizeibeamte verklagt worden wegen solcher<br />

Geschichten. Alle anderen wurden freigesprochen.<br />

F: Ändert sich was, wenn man längere Zeit im Wagen lebt?<br />

J: (2) Weiß nicht, ob sich da was ändert. Die meisten von uns haben schon zig Jahre auf der<br />

Straße ohne Wagen gelebt. Man hat einfach sein Zuhause, das man immer dabei hat. Es gibt<br />

einem Rückhalt, wenn du weißt, du hast da was, wo du rein gehen kannst, wo du die Tür zu-<br />

machen kannst, bub aus, hast du deine Ruhe. Was sich da ändert weiß ich nicht. Wenn man<br />

auf einem Platz lebt, dann tut sich das Gemeinschaftsgefühl stärken. Wir leben hier<br />

sozialökonomisch, das heißt, wenn jemand was braucht, alle tragen die Kosten von allen,<br />

egal um was es geht, wenn jetzt jemand Gerichtskosten hat, dann bezahlt der, der mehr hat,<br />

wer halt was hat, der legt mehr rein, bei <strong>einer</strong> kleinen Gruppe wie wir das sind, geht das recht<br />

gut. Das was alle brauchen, wird auch von allen getragen.<br />

F: Würdest du sagen, dass es eine politische Gruppierung ist?<br />

J: Nö, wir sind Punks.<br />

F: Punk sein ist nicht politisch?<br />

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