WAGENBURGKULTUR IN DEUTSCHLAND - mit einer ... - Wagendorf
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6.2.6 Punkstadt: Joe<br />
F: Wie oft bemerkst du, dass du in keinem Haus wohnst?<br />
➣ 6.2.6<br />
J: Ja klar, jeden Tag. Morgens, <strong>mit</strong>tags, abends. Hier kann ich meine Hunde direkt aus dem<br />
Wagen raus laufen lassen.<br />
F: Ist es bewusst gewählt, um nicht im Haus zu wohnen?<br />
J: Ja, die ganzen Häuser, die ganzen Betonklötze die rumstehen, da hab ich kein Bock drauf.<br />
Da hast du dann immer deine Nachbarn, <strong>mit</strong> denen du Stress hast oder irgendein Vermieter<br />
stresst, der dir sagt was du zu tun oder zu lassen hast. Und hier tut man eben selbst seine<br />
Regeln bestimmen <strong>mit</strong> seinen Leuten. Hier kann man sich absprechen und man hat nicht den<br />
Zwang von oben. Du zahlst deine Miete jeden Monat so und so viel Euro, Nebenkosten. Hier<br />
ist es um einiges leichter, du lebst draußen, bist in der Natur. Das ist, auch gerade wenn man<br />
Hunde hat, besser als ein Haus oder sonst was.<br />
F: Was wäre ne Alternative zum Wagen?<br />
J: Nichts. Alle hier. Wir haben ja über den Winter in nem Haus gewohnt, nach unserem<br />
letzten Wagenplatz. Also mir ist ne Wagenplatz lieber. Ich hab keinen Bock mehr in ein Haus<br />
zu ziehen oder sonst wo hinzuziehen.<br />
F: Wieso ist die Wagenburg gerade hier entstanden?<br />
J: Also, wir waren hier schon mal, vorletztes Jahr. Das Gelände hier steht seit Jahren leer.<br />
Alles zugewuchert. Daraufhin haben wir gesagt, hier ist nichts, hier passiert nichts, also<br />
können wir hier unsere Wagenburg drauf setzten, weil es braucht eh k<strong>einer</strong>. Deshalb haben<br />
wir den Platz hier gewählt. Und letztes Jahr wurden wir eben schon einmal geräumt hier. Sind<br />
in ein Haus umgezogen, wo wir dann auch wieder geräumt wurden. Und haben dann das<br />
Ponyhofgelände besetzt, was für uns eigentlich eines der idealsten Gelände war. Was dann<br />
aber auch wieder geräumt wurde. In ner ewigen Action. Für acht Bewohner 100 BFE-Bullen<br />
im Einsatz. [Beweissicherungs-Festnahme-Einheiten]. Komplett in schwarz gekleidet,<br />
Körperpanzerung, Knarren, alles, und pi pa po.<br />
F: Weißt du, was der Einsatz gekostet hat?<br />
J: 20 000 Euro.<br />
F: Empfindest du es hier als eine Art Ghettoisierung?<br />
J: Ghettoisierung würde ich nicht sagen, nicht unbedingt. Man will die Leute halt aus der<br />
Stadt haben. Dass man das nicht mehr <strong>mit</strong>bekommt. Das wollen vielen Leute. Ich denk mal,<br />
ich bin ganz froh hier draußen, hier stört uns k<strong>einer</strong> und hier stören wir keinen. Aber ich mein,<br />
du bist halt schon abgegrenzt von der Stadt und allem. Du kommst hier abends aus der<br />
Gegend nicht mehr weg, denn ab acht Uhr fährt hier kein öffentlicher Bus mehr. Es gibt<br />
keinen Straßenbahnanschluss von hier. Gar nichts. Aber vielleicht ist es auch gar nicht<br />
schlecht, wenn vier Wagenburgen in <strong>einer</strong> Straße sind, dann kann man sich gegenseitig auch<br />
helfen und solidarisieren, wenn es Ärger gibt.<br />
F: Hat sich von der Stadt her etwas geändert in den letzten Jahren?<br />
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