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WAGENBURGKULTUR IN DEUTSCHLAND - mit einer ... - Wagendorf

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3.1.2 Klärwerke und Kaserne<br />

Lebenswelt<br />

Die nachfolgende entwicklungsgeschichtliche Darstellung 37 der<br />

Wagenburgdynamiken in Freiburg hat ihren Ausgang im Jahr 1987, als erstmals<br />

Wagengespanne auf den Faulerflächen eintreffen - also genau im selben innerstädtischen<br />

Bereich, wo 103 Jahre früher Mitglieder der Sinti-Ethnie zum ersten Mal geographisch<br />

lokalisierbar wurden. War es damals eine freie Marktfläche, welche <strong>mit</strong> einem modernen<br />

Schlachthof bebaut werden sollte, so ist es nun eine Brachfläche, welche durch ein<br />

Stadtteilsanierungsprogramm erschlossen werden soll und schon nach wenigen Monaten eine<br />

weitere Nutzung als Wagenplatz nicht ermöglicht.<br />

Parallel zu der entstehenden Wagenburg, die sich anfangs hauptsächlich aus Menschen<br />

<strong>einer</strong> erodierten Hausbesetzerszene zusammensetzt - die den Wagen als neuen Wohnraum<br />

entdeckten -, entwickelt sich in un<strong>mit</strong>telbarer Nachbarschaft der „Verein für Leben und<br />

Arbeiten im Grethergelände“. Diese Eigeninitiative setzt sich zum Ziel, die noch gute, wenn<br />

auch museale Bausubstanz eines ehemaligen Gießereibetriebs 38 aus Zeiten der<br />

Hochindustrialisierung zu erhalten, um kostengünstigen Wohn- und Arbeitsraum zu erstellen.<br />

Selbstverwaltung, Erbpachtzins und Muskelhypothek können die historischen Bauten vor den<br />

Abrissplänen des städtischen Sanierungsprogrammes retten und im Folgenden auch einen<br />

vorübergehenden Aufenthalt für die räumungsbedrohte Wagenburg liefern. Selbstorganisierte<br />

unkommerzielle Mietshausprojekte (wie Grether oder SUSI) bilden im Verlauf der<br />

Geschichte immer wieder Anlaufstellen für räumungsbedrohte Wagenburgen oder für durch<br />

Räumung obdachlos gewordene Bewohner.<br />

Bald schon zeigen sich jedoch zentrifugale Kräfte, die den innerstädtischen Nukleus<br />

<strong>einer</strong> Wagenburgkultur an die Stadtperipherie tragen. Räumungsandrohungen können trotz<br />

Demonstrationszügen, vehementen Einspruchs der damaligen Oppositionspartei Die Grünen<br />

nicht abgewandt werden (1988). Und so verlagern sich einzelne Wagenformationen an die<br />

westliche Stadtperipherie und auf Waldparkplätze. Auch sind städtische Campingplätze zu<br />

diesem Zeitpunkt noch bereit, Wagenbewohner über die Wintermonate aufzunehmen 39 -<br />

Räume, die sich ab Mitte der 90iger Jahre selbstausgebauten Wagen verschließen werden.<br />

37 Primäre Quelle waren hier eine milieuinterne Geschichtsschreibung des Wagenburgvereins<br />

Schattenparker (http://www.schattenparker.net/chronik) sowie die unpublizierten<br />

Niederschriften der PHK a.D. Z<strong>IN</strong>NKANN 2005. Sekundär wurden diese Historien durch eine<br />

Reihe narrativer Gespräche verifiziert, falsifizert, erweitert und vertieft, um die gewünschten<br />

geographischen Anbindungs- und Schlüsselmomente zu generieren. Die nachfolgende<br />

Chronologie versteht sich deshalb auch in erster Linie als Verschriftlichungsbeitrag <strong>einer</strong><br />

bisher größtenteils mündlich gehaltenen Überlieferung.<br />

38 Der ehemalige Graugussproduzent Grether & Cie (1888-1944) wurde ab 1983 schrittweise<br />

durch das Freiburger Mietshäusersyndikat erworben und umgestaltet.<br />

39 Zuletzt entscheidet sich der Campingplatz Hirtzberg Anfang/Mitte der 90er Jahre,<br />

selbstausgebaute Wohneinheiten nicht mehr aufzunehmen.<br />

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