WAGENBURGKULTUR IN DEUTSCHLAND - mit einer ... - Wagendorf
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2.3 Ford und Industrie<br />
Hybridhistorie<br />
Eine Weiterführung der Chronologie der Fahrenden zeigt in der aufkommenden<br />
Neuzeit eine verstärkte Ausgrenzung und Stigmatisierung. Diese ist zum einen bedingt durch<br />
eine anhaltende Differenzierung des Handelswesens in den Städten und <strong>einer</strong> daraus<br />
folgenden Unabhängigkeit von den Dienstleistungen der Umherziehenden. Zünfte und<br />
Gesellenorganisationen bilden sich heraus. In der postfeudalistischen Gesellschaft bilden sich<br />
verstärkt Manufakturen aus und eine aufkommende professionelle Kaufmannsgilde<br />
florentinischen Abbildes monopolisierte den Fernhandel zwischen den neu entstehenden<br />
Märkten. Zum anderen durch das Aufkommen von wohnwagenähnlichen Gefährten, welche<br />
die Abhängigkeit vom sesshaften Teil der Bevölkerung reduzierte. Beides führte zu <strong>einer</strong><br />
Verminderung der Kontaktstrukturen zwischen den Lebensstilmilieus und schlägt sich nicht<br />
nur in aparten mentalgeschichtlichen Konstruktionen nieder, sondern formuliert sich auch in<br />
verstärktem Maße in Mandate nund Edikten der Obrigkeit. (vgl.: SCHUBERT 1995: 351 ff.;<br />
FARWICK 1998: 146 ff.)<br />
So<strong>mit</strong> lässt sich durchaus das fast vollständige Ende eines gewachsenen<br />
Lebensmilieus und s<strong>einer</strong> gesamtgesellschaftlichen Funktionen konstatieren. „Untergang<br />
meint, das die Leistungen der Fahrenden für die Gesellschaft als überflüssig angesehen<br />
wurden, es bedeutet weiterhin, daß diese Menschen, die im Mittelalter für das<br />
Zusammenwachsen der Gesellschaft, von Hof zu Hof, von Siedlungsinsel zu Siedlungsinsel<br />
wandernd, so bedeutsam gewesen waren, an den Rand dieser Gesellschaft gedrängt, in das<br />
soziale Zwielicht gerückt werden. »Fahrendes Volk« gewinnt in diesem Zusammenhang<br />
einen neuen, einen negativen Sinn, der vor allem im 19. Jahrhundert verbreitet und teilweise<br />
romantisierend umgedeutet wurde.“ (SCHUBERT 1995: 352) Zählten die Fahrenden zuvor<br />
noch zum unverzichtlichen Teil des Wirtschafts- und Kommunikationskreislaufes, so wird<br />
ihr Tätigkeitsfeld sukzessive obsolet.<br />
Die zunehmende Technisierung und aufkommende Industrialisierung beendet viele<br />
mobile Lebensstile. Gleichzeitig erfahren diese jedoch durch die selben<br />
gesamtgesellschaftlichen Transformationskräfte eine Renaissance - wenngleich in <strong>einer</strong><br />
funktionalen Einschränkung. Der Wagen als r<strong>einer</strong> Wohnraum zeichnet sich als<br />
Hilfsbehausung aus, um die Verelendungserscheinungen der Hochindustrialisierungsphase<br />
abzufangen. Das bekannteste Deutsche Beispiel stellt hierbei Republik Barackia in Berlin dar<br />
(1872), wo durch Eigeninitiative am Ostrand der Stadt eine Wagen- und Hüttenansammlung<br />
entstand, um der drückenden Wohnungsnot der Zeit entgegenzuwirken. 13<br />
(BERNET 1999: 14 f.)<br />
13 Zwangsräumung der Siedlungsinitiative zum Dreikaiserjahr.<br />
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