Spurwechsel auf britischen Befehl. - Volkswagen Konzern
Spurwechsel auf britischen Befehl. - Volkswagen Konzern
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Hahns Bonmot beschreibt zutreffend die weitere Entwicklung des<br />
<strong>Volkswagen</strong>werks. Als führender Hersteller der deutschen Automobilindustrie<br />
wurde das öffentliche Unternehmen zum Wirtschaftswundermotor<br />
und größten Devisenbringer des Landes. Zwischen<br />
1949 und 1954 versechsfachte sich der Fahrzeugabsatz von rund<br />
46.000 <strong>auf</strong> 246.000 Fahrzeuge. Rund 44 Prozent flossen hauptsächlich<br />
in den Export nach Europa. 458 Die rasch steigende Kapazitätsauslastung<br />
und Rentabilität schuf die finanzielle Basis für die<br />
1954 beginnende „Amerikanisierung“ des Unternehmens. Durch<br />
die am Fordismus orientierte technologische Reorganisation suchte<br />
Nordhoff Anschluss an die Produktivität der US-Automobilindustrie<br />
zu gewinnen. Doch wurde das Vorbild nicht 1:1 kopiert, zumal<br />
die „Detroit Automation“, wie sie sich in Fords neuer Motorenfabrik<br />
in Cleveland zeigte, flexiblere Produktionsmethoden behinderte<br />
und 1954 im Zentrum der Kritik stand. Vielmehr schälte sich im<br />
<strong>Volkswagen</strong>werk eine typisch deutsche Version des Fordismus heraus.<br />
Sie beruhte im Kern <strong>auf</strong> der Symbiose amerikanischer Methoden<br />
mit dem in Deutschland vorherrschenden Muster einer diversifizierten<br />
Qualitätsproduktion und dem historisch gewachsenen<br />
System der Arbeitsbeziehungen, in dem die Kooperation zwischen<br />
Management und Arbeiterschaft eine Machtteilung bei der Kontrolle<br />
über den Arbeitsplatz einschloss. 459 Die Adaption fordistischer<br />
Technologie und Organisationsformen und der inländische<br />
Kapazitätsausbau brachten die erforderlichen Produktivitätsfortschritte<br />
und Stückzahlen, um den exportgestützten Wachstumskurs<br />
fortzusetzen und <strong>auf</strong> dem US-Markt zu reüssieren. 1960 hatte<br />
das <strong>Volkswagen</strong>werk die Struktur eines multinationalen <strong>Konzern</strong>s<br />
ausblick<br />
angenommen und setzte knapp 890.000 Fahrzeuge ab. Die Exportquote<br />
betrug 57 Prozent: Jedes zweite ausgeführte deutsche Automobil<br />
war ein <strong>Volkswagen</strong>. 460<br />
Welchen Anteil hatten die Briten am „Wunder von Wolfsburg“? Ihr<br />
Beitrag ist nicht zu unterschätzen. Die Ergebnisse der Studie weisen<br />
den <strong>Spurwechsel</strong> zum Marktunternehmen als grundlegend<br />
aus, damit das <strong>Volkswagen</strong>werk die Initialzündung der Währungsreform<br />
nutzen und 1949 in eine anhaltende Wachstumsperiode<br />
eintreten konnte. Dank britischer Initiative war das Vertriebs- und<br />
Kundendienstnetz gespannt worden, mit dem das Unternehmen<br />
1948 den Binnenmarkt zu erschließen begann. Darüber hinaus<br />
hatte Hirst unter widrigen Bedingungen eine von Nordhoff mit anderen<br />
Mitteln fortgesetzte Qualitätspolitik begründet, die der Limousine<br />
frühe Reputation <strong>auf</strong> dem europäischen Markt verschaffte.<br />
Den Weg dorthin hatten die Briten mit einer Exportpolitik<br />
gebahnt, an die Nordhoffs weltmarktorientierte Wachstumsstrategie<br />
nahtlos anknüpfen konnte. Mag sein, dass die aus dem Gründungskonzept<br />
der Fabrik resultierenden Kapazitäten und die<br />
Schwäche des Inlandsmarkts geradezu zwangsläufig eine solche<br />
Strategie erforderten. Ihre Umsetzung in einem durch bilaterale<br />
Handelsverträge und Dollarlücke geprägten Weltmarkt wäre jedoch<br />
ohne die <strong>britischen</strong> Exportinteressen nicht in diesem Tempo<br />
verl<strong>auf</strong>en.<br />
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