Spurwechsel auf britischen Befehl. - Volkswagen Konzern
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dürfe. 272 Dieses Problem wurde akut, als die Preisbildungsstelle<br />
des Niedersächsischen Wirtschaftsministeriums ohne vorherige<br />
Rücksprache mit dem <strong>Volkswagen</strong>werk den Wagenpreis ab August<br />
1947 <strong>auf</strong> 3.600 Reichsmark festlegte. Die „willkürliche Preisfestsetzung“<br />
ging selbst den gleichermaßen <strong>auf</strong> Preissenkung drängenden<br />
Briten zu weit, und Neal versprach, sich persönlich um die Angelegenheit<br />
zu kümmern. Den Interventionsmöglichkeiten der<br />
<strong>britischen</strong> Militärregierung waren indes Grenzen gesetzt, hatte sie<br />
doch selbst die Zuständigkeit für die Preisbildung den deutschen<br />
Behörden übertragen. Mit Rückendeckung der Treuhänder gelang<br />
es der deutschen Werkleitung dennoch, in der abschließenden<br />
Verhandlung Ende Oktober 1947 den Wagenpreis ab Werk <strong>auf</strong><br />
3.910 Reichsmark festzuschreiben. Hinzu kam eine 15-prozentige<br />
Großhändlerspanne, so dass die <strong>Volkswagen</strong> Limousine rückwirkend<br />
zum 1. August 4.600 Reichsmark kostete. 273<br />
Selbst diese Regelung, gemessen an der Kalkulation für Oktober<br />
mit einem Wagenpreis von 4.270 Reichsmark, verlangte dem<br />
<strong>Volkswagen</strong>werk eine Senkung der Fertigungskosten um rund<br />
360 Reichsmark pro Fahrzeug ab. Zur Bewältigung der Aufgabe<br />
schnürte Finanzchef Hiemenz ein breites Maßnahmebündel, das<br />
quer durch alle Unternehmensbereiche die Senkung der Gemeinkosten<br />
vorgab: im Transportwesen, in der Lagerhaltung, im Eink<strong>auf</strong>,<br />
in der Inspektion und im Laboratorium, darüber hinaus<br />
im Fertigungsbetrieb, wo Hiemenz vor allem bei den variablen<br />
Gemeinkosten, wie unproduktiven Löhnen, Gehälter, Reparaturmaterial,<br />
Werkzeugverbrauch oder Reisekosten, Einsparungs-<br />
der wandel zum marktunternehmen<br />
möglichkeiten sah. Von der zum 1. Januar 1948 geplanten organisatorischen<br />
Neuordnung erwartete er eine Reduzierung der<br />
Verwaltungs- und Vertriebsgemeinkosten um 10 Prozent. Darüber<br />
hinaus hielt Hiemenz einschneidende Maßnahmen für erforderlich,<br />
um den Energieverbrauch des Unternehmens zu senken und<br />
die Rentabilität des Kraftwerks verbessern, das die Betriebsstellen<br />
mit 13 Reichspfennig pro Kilowattstunde belastete. Damit war der<br />
Preis fast doppelt so hoch wie der durchschnittliche Energiepreis<br />
in anderen Industriezweigen. Eine Beschneidung des kalkulatorischen<br />
Gewinns, der einschließlich Kapitalverzinsung acht Prozent<br />
betrug, kam für Hiemenz nicht in Frage, weil das <strong>Volkswagen</strong>werk<br />
seine außerordentlichen Aufwendungen finanzieren müsse. 274<br />
CH3143_11<br />
Der neu festgesetzte Wagenpreis erhob die Umsetzung des Kostensenkungsprogramms<br />
zur zwingenden Notwendigkeit. Andernfalls<br />
musste das <strong>Volkswagen</strong>werk einen l<strong>auf</strong>enden Vermögensverzehr<br />
hinnehmen. Aber selbst bei Erreichen der Einsparziele blieb für<br />
Hiemenz das größte strukturelle Kostenproblem bestehen. Denn<br />
bei der Preisfestsetzung werde die Kapazität des Werks in den Abschreibungen<br />
„in so einschneidendem Maße berücksichtigt“, dass<br />
zur Vermeidung von Verlusten eine Produktionssteigerung <strong>auf</strong><br />
mindestens 1.500 Wagen notwendig sei. 275<br />
Einer Erhöhung der Kapazitätsauslastung aber waren durch die<br />
Mangelwirtschaft Grenzen gesetzt, und die vergangenen Monate<br />
gaben kaum Anlass zu der Hoffnung, dass hier rasche Änderung<br />
eintreten würde. Wenigstens bei der Versorgung mit Zulieferteilen<br />
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