Spurwechsel auf britischen Befehl. - Volkswagen Konzern
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der wandel zum marktunternehmen<br />
Hohe Fluktuation und Facharbeitermangel<br />
Obwohl das <strong>Volkswagen</strong>werk überdurchschnittliche Löhne zahlte,<br />
betrug die Fluktuation der Arbeiterschaft in den Jahren 1946/47<br />
über 50 Prozent. So schieden im ersten Nachkriegsjahr 4.750 von<br />
8.251 Beschäftigten wieder aus. 1947 verzeichnete das Unternehmen<br />
bei stagnierendem Belegschafts<strong>auf</strong>bau 4.252 Einstellungen,<br />
während 4.131 Beschäftigte ihre Arbeitsstelle verließen. Die Zahl<br />
der Facharbeiter sank von 2.905 <strong>auf</strong> 2.731 Beschäftigte. 149 Die negativen<br />
Auswirkungen der Fluktuation <strong>auf</strong> den Produktionsprozess<br />
wurden dadurch verschärft, dass die meisten Arbeitnehmer nicht<br />
ankündigten, ihren Arbeitsplatz <strong>auf</strong>geben zu wollen. Die Abgänge<br />
trafen das <strong>Volkswagen</strong>werk dementsprechend unvorbereitet, was<br />
jede Personalplanung vereitelte. Anfang Juni 1946 bezifferte die<br />
Werkleitung den „unerlaubten Abgang“ seit Jahresbeginn <strong>auf</strong><br />
1.431 Beschäftigte. Um den durch die Entnazifizierung gestiegenen<br />
Personalbedarf zu decken, benötigte das Unternehmen<br />
600 zusätzliche Arbeitskräfte, die zunächst angelernt werden<br />
mussten. 150 Zu diesem Zeitpunkt waren im <strong>Volkswagen</strong>werk<br />
hunderte externe Zeitarbeiter tätig, versuchten doch verschiedene<br />
Abteilungen seit Herbst 1945, den Arbeitskräftemangel durch<br />
die Vergabe bestimmter Tätigkeiten an Kleinfirmen zu lindern.<br />
Kemmler ordnete deshalb im Sommer 1946 einen sofortigen<br />
Stopp dieser Maßnahmen an. 151<br />
Die Instabilität der Belegschaft prägte auch die Qualifikationsstruktur<br />
insoweit, als sie bis zum Beginn der DM-Ära den Mangel<br />
an qualifizierten Arbeitskräften zementierte. Trotz massiver An-<br />
50<br />
strengungen gelang es der Personalabteilung nicht, die für einen<br />
reibungslosen Produktionsabl<strong>auf</strong> erforderlichen Fachleute in ausreichender<br />
Menge zu beschaffen. Von 1945 bis 1948 stieg die Zahl<br />
der Facharbeiter nur leicht von 2.406 <strong>auf</strong> 2.762 Beschäftigte.<br />
Selbst der Anteil der angelernten Arbeiter blieb nahezu konstant<br />
und pendelte um 550 Beschäftigte, obwohl die Werkleitung bereits<br />
1945 Qualifizierungsprogramme für die neu eingestellten ungelernten<br />
Arbeiter startete. 152 Die Auswirkungen des Facharbeitermangels<br />
<strong>auf</strong> die Fahrzeugproduktion waren mitunter gravierend.<br />
Der Abgang oder das Fehlen eines erfahrenen, nicht sofort zu ersetzenden<br />
Maschinisten oder Werkzeugmachers konnte sowohl<br />
die produzierte Menge als auch die Qualität der Produkte einer<br />
Abteilung stark beeinträchtigen. Dies galt gleichermaßen für die<br />
Bandmontagen, die eine exakte Anzahl von Arbeitern verlangten<br />
und nur wenig Spielraum für die in allen Produktionsbereichen<br />
verbreiteten Improvisationen ließen. 153<br />
Die hohe, bis zur Währungsreform 1948 anhaltende Fluktuation<br />
hatte verschiedene Ursachen, wobei auch psychologische Faktoren<br />
in der durch allgemeine Unsicherheit geprägten Nachkriegszeit<br />
eine nicht zu unterschätzende Rolle spielten. So erzeugten die drohende<br />
Demontage und die Entnazifizierung tiefe Verunsicherung<br />
unter den Beschäftigten, was sich negativ <strong>auf</strong> deren Arbeitsmoral<br />
auswirkte. Gedämpft wurde die Leistungsbereitschaft außerdem<br />
durch die hohe Inflation und den rapiden Verfall der Reichsmark,<br />
so dass der ausgezahlte Lohn <strong>auf</strong> einem rasch expandierenden<br />
Schwarzmarkt kaum Anreiz für ein stabiles Beschäftigungsverhält-