Spurwechsel auf britischen Befehl. - Volkswagen Konzern
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Die unzureichende Ernährung war einer der Hauptgründe für das<br />
insgesamt niedrige Leistungsniveau der <strong>Volkswagen</strong> Belegschaft.<br />
Aber auch die schlechte Arbeitsmoral, wie die <strong>britischen</strong> Werksoffiziere<br />
mutmaßten, sowie die Qualität der Managements spielten<br />
keine unmaßgebliche Rolle. Im März 1947 erfuhr Generaldirektor<br />
Münch, dass mehrfach sämtliche Arbeiter einer Abteilung vor dem<br />
Glockenzeichen um 16:40 Uhr den Arbeitsplatz verlassen hatten,<br />
was der Vorgesetzte nach eigener Aussage nicht hatte verhindern<br />
können. Der Vorfall legte nahe, die Eignung der Führungskräfte<br />
genauer zu überprüfen. Münch gab deshalb ein Gutachten über<br />
die Qualifikation der leitenden Angestellten inklusive Meister und<br />
Vorarbeiter in Auftrag und kündigte an, dass er im Wiederholungsfall<br />
Umbesetzungen oder Entlassungen vornehmen müsse. 167 Der<br />
offensichtliche Autoritätsmangel der Meister bestätigte die Einschätzung<br />
der Werkleitung, ihre Eignung liege unterhalb des Niveaus<br />
in der übrigen Industrie, wie auch die Vorarbeiter „schwächere<br />
Kräfte“ seien, so dass die Führungs<strong>auf</strong>gaben im Betrieb <strong>auf</strong><br />
diesen Hierarchieebenen „nicht so durchgeführt werden, wie es<br />
eigentlich sein müsste“. 168<br />
Produktiver und unproduktiver Bereich<br />
Wegen der hohen Fluktuations- und Abwesenheitsrate verharrte<br />
die Arbeitsproduktivität des <strong>Volkswagen</strong>werks <strong>auf</strong> niedrigem Niveau.<br />
Zudem wirkte sich das ausgeprägte Missverhältnis zwischen<br />
produktiv und unproduktiv Beschäftigten negativ <strong>auf</strong> die Kostenstruktur<br />
des Unternehmens aus. Zum unproduktiven Bereich zähl-<br />
der wandel zum marktunternehmen<br />
ten jene Beschäftigten, die den durch hohen Maschinenverschleiß<br />
und Materialmangel beeinträchtigten Produktionsprozess in Gang<br />
hielten, indem sie Maschinen reparierten, Werkzeuge herstellten<br />
oder die Fabrik instand setzten. Sie unterschieden sich von den<br />
produktiven Beschäftigten durch eine insgesamt höhere Qualifikation<br />
und ein anderes Entlohnungssystem. Während die unproduktiven<br />
einen festen Stundenlohn erhielten, wurden die direkt in der<br />
Automobilfertigung eingesetzten Arbeiter <strong>auf</strong> Grundlage der produzierten<br />
Stückzahlen im Akkord entlohnt. Das Missverhältnis<br />
zwischen beiden Beschäftigtengruppen mit einer Zweidrittelmehrheit<br />
der unproduktiven Arbeiter war ein Erbe der Kriegswirtschaft,<br />
und die nach Kriegsende anstehenden umfangreichen Reparatur-<br />
und Instandsetzungsarbeiten zementierten das Ungleichgewicht,<br />
das dem Prinzip einer effizienten Automobilfabrik widersprach<br />
und <strong>auf</strong> die Rentabilität des Unternehmens drückte. 169<br />
Über das häufig kritisierte Missverhältnis zwischen produktiver<br />
und unproduktiver Arbeit fertigte der Leiter der Betriebswirtschaftlichen<br />
Abteilung, Striebig, Mitte Juni 1947 eine Gegendarstellung<br />
an. Zunächst korrigierte er die Vergleichszahl, indem er<br />
aus dem Belegschaftsbestand von 8.100 Beschäftigten 850 Werksfremde<br />
– britische Dienststellen, Kraftwerk, Gärtnerei – sowie<br />
1.050 Angestellte und 310 Lehrlinge herausrechnete. Der Angestelltenanteil<br />
hatte sich inzwischen <strong>auf</strong> 14 gegenüber 17 Prozent<br />
im Vorjahr verringert, wobei der „Idealwert“ bei 12 Prozent lag.<br />
Sodann verbuchte Striebig einen Teil der im Vorwerk sowie in der<br />
Armee-Reparatur tätigen Arbeiter als produktiv, weil sie Teile her-<br />
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