Spurwechsel auf britischen Befehl. - Volkswagen Konzern
Spurwechsel auf britischen Befehl. - Volkswagen Konzern
Spurwechsel auf britischen Befehl. - Volkswagen Konzern
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
der wandel zum marktunternehmen<br />
Den ersten Schritt zur Ausweitung der Produktion befahlen die<br />
Briten umgehend und setzten für August das Programm <strong>auf</strong> 1.500<br />
Wagen fest. Ob das <strong>Volkswagen</strong>werk diese Vorgabe erfüllen konnte,<br />
hing entscheidend von der Freigabe der notwendigen Kontingente<br />
für Stahl, Textilien oder Glas ab. Lieferzeiten für Stahlbleche betrugen<br />
bis zu drei, für Textilien und Fertigaggregate bis zu fünf<br />
Monaten. Trotz bevorzugter Behandlung wurden dem <strong>Volkswagen</strong>werk<br />
die Kontingente bisweilen verspätet zugeteilt, und wegen<br />
Rohstoffmangels konnten die Zulieferer den Bedarf nur lückenhaft<br />
decken. Gegen das August-Programm erhob denn auch die Eink<strong>auf</strong>sabteilung<br />
ihre Stimme, weil die bisher eingereichten Kontingente<br />
für Textilien und Glas <strong>auf</strong> 1.000 Fahrzeuge abgestimmt waren.<br />
Die Freigaben für die von der Firma Kronprinz hergestellten<br />
Scheibenräder reichten lediglich für eine monatliche Produktion<br />
von 800 Fahrzeugen, und die dringend erforderlichen Eisenscheine<br />
für das dritte Quartal waren noch nicht eingegangen. Der Eink<strong>auf</strong>sleiter<br />
Julius Paulsen machte eine nüchterne Rechnung <strong>auf</strong>:<br />
Während die knappen Bleche bei einer Monatsfertigung von 1.500<br />
Wagen bis Ende September ausreichten, stünden neue Bleche frühestens<br />
Mitte Oktober zu Verfügung. Bei Durchführung des Programms<br />
sei deshalb Anfang Oktober 1946 an mehreren Stellen mit<br />
Engpässen zu rechnen. 239<br />
Abgesehen von den Beschaffungsproblemen war die befohlene Erhöhung<br />
der Stückzahlen auch aus k<strong>auf</strong>männischer Sicht problematisch,<br />
da sie die Fertigungskosten in die Höhe trieb und der <strong>britischen</strong><br />
Forderung nach Kostensenkung zuwiderlief. Auf diesen<br />
76<br />
Punkt machte Kemmler Anfang August 1946 den leitenden Werksoffizier<br />
<strong>auf</strong>merksam und äußerte dabei grundsätzliche Kritik an<br />
der <strong>britischen</strong> Produktionspolitik, die aus seiner Sicht weder den<br />
betrieblichen Möglichkeiten noch den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen<br />
Rechnung trug. Denn die beste Planung, so Kemmler,<br />
müsse Schiffbruch erleiden, „wenn die technische Leitung<br />
weiterhin <strong>auf</strong> Grund der von den <strong>britischen</strong> Dienststellen erteilten<br />
Anweisungen gezwungen wird, ihr Hauptaugenmerk <strong>auf</strong> die mehr<br />
oder weniger gewaltsame Erreichung des Produktionssolls zu richten,<br />
ohne dass die notwendigen Voraussetzungen hierfür geschaffen<br />
sind“. 240<br />
Wenn an einem Arbeitstag mitunter 150 Teile entweder gar nicht<br />
oder nur in unzureichender Anzahl zur Verfügung stünden, wie<br />
Kemmler ausführte, dann könne das Fabrikationsprogramm von<br />
1.000 Fahrzeugen monatlich nur durch eine geschickte Improvisation<br />
erfüllt werden. Maschinenbelegungen mussten geändert, Arbeitskräfte<br />
ausgetauscht und Materialnachschub umdisponiert<br />
werden. Infolgedessen kam es zu Stockungen an den Bändern, und<br />
die Transportabteilung brachte des Öfteren die Einzelteile stückweise<br />
zu den Bearbeitungsmaschinen. Verschärfend wirkte sich<br />
die hohe Fluktuation der Arbeitskräfte aus, die immer wieder neu<br />
angelernt und in den Fertigungsprozess integriert werden mussten.<br />
Kemmler hatte für den Monat Juli 1946 die hierdurch entstandenen<br />
Verluste an produktiver Arbeit <strong>auf</strong> knapp 51.900 Stunden<br />
addiert, bei einem Arbeitssoll von 123.700 Stunden. Sein Vorschlag,<br />
das Fertigungsprogramm für einen Monat auszusetzen,