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Das Argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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1 Besprechungen<br />

sie im letzten, wissenschaftstheoretischen Kapitel ihres Buches vornimmt.<br />

Sie unterscheidet hier zwischen der analytischen, der hermeneutischen<br />

und der dialektischen Richtung. Der Unterschied zwischen<br />

der ersten und der letzten wird folgendermaßen formuliert: „Während<br />

es in den analytischen Wissenschaften [sie!] um die Konstruktion<br />

eines Systems ,wahrer Sätze' geht, innerhalb dessen ,Erklärungen'<br />

in Deduktionen bestehen, geht es in der Dialektik um Kritik.<br />

Die Erklärungen bestehen im Hinweis auf Sozialisationsprozesse."<br />

(109)<br />

Henn ordnet die TG den analytischen Wissenschaften zu (sie identifiziert<br />

hier offensichtlich ,<strong>Theorie</strong>' mit .Wissenschaft': „in analytisch<br />

orientierten Wissenschaften, z. B. der Chomskyschen Sprachanalyse<br />

..." [104]) und geht davon aus, daß sich der Erklärungsbegriff<br />

nach Hempel/Oppenheim ohne weiteres auf die Linguistik übertragen<br />

läßt. Diese Übertragung ist aber im höchsten Grade fragwürdig,<br />

insbesondere wenn man die Möglichkeiten, Explanans und Explanandum<br />

für die Linguistik zu definieren, an den von Hempel und Oppenheim<br />

aufgestellten Adäquatheitsbedingungen für Erklärungen mißt.<br />

Es soll Henn natürlich nicht vorgeworfen werden, daß sie keine Lösung<br />

für diese gegenwärtig stark umstrittenen Fragen anbietet —<br />

das Schlimme ist aber, daß sie offenbar die Probleme gar nicht sieht.<br />

Elisabeth Bense (Berlin/West)<br />

Kanngießer, Siegfried: Aspekte der synchronen und<br />

diachronen Linguistik. Max Niemeyer Verlag, Tübingen<br />

1972 (250 S., br„ 26,— DM).<br />

Die seit Saussure in der modernen Linguistik traditionell gewordene<br />

strikte Trennung zwischen Synchronie und Diachronie beginnt<br />

in der neuesten sprachwissenschaftlichen Forschung zunehmend zu<br />

einem Problem zu werden. Auch Kanngießer sieht in der bisher weitgehend<br />

üblichen Ausklammerung des historischen Aspekts aus der<br />

synchronen Sprachforschung einen Fehler, „denn die Sprachtheorie<br />

muß es gestatten, eine Antwort auf die Frage zu formulieren, wie es<br />

möglich ist, daß synchrone Strukturen in diachrone Prozesse eingebettet<br />

werden können bzw. daß die Sprache sich verändern kann und<br />

in der Tat verändert, während sie in P [der Sprachgemeinschaft] zur<br />

Kommunikation gebraucht wird, also ,synchron funktioniert'. Diachrone<br />

Prozesse sind somit natürliche Gegenstände der linguistischen<br />

<strong>Theorie</strong>, auch der <strong>Theorie</strong> eines Sprachzustandes, und die Erklärung<br />

und Beschreibung dieser Prozesse muß möglich sein, wenn die <strong>Theorie</strong><br />

nicht von vornherein unvollständig und unsystematisch und damit<br />

auch inadäquat sein soll" (42).<br />

Aus der Einsicht heraus, daß Chomskys von der nachfolgenden<br />

Forschung weitgehend übernommene Annahme einer vollständig<br />

homogenen Sprachgemeinschaft mit dem Faktum der Sprachveränderung<br />

unverträglich ist und sich somit gegen eine Integration von<br />

DAS ARGUMENT 92/1975 ©

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