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Das Argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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668 Wolfgang Fritz Haug<br />

derspiegelungsrelation zu begreifen, sondern vom Bewußtsein her als<br />

in einer „Grundumgangssprache gegebene" Einheit von Intersubjektivität<br />

und Objektivität aufzufassen. Er folgt darin dem späten Wittgenstein,<br />

den er dafür rühmt, „die Letztgegebenheit von elementaren<br />

Funktionen, Strukturen, Regeln und Kriterien aufzuzeigen, die im<br />

Gebrauch der Grundumgangssprache liegt". Mit dieser Letztgegebenheit<br />

und ihren Formen sei zugleich „ein Erfahrungsbegriff gegeben,<br />

der von der gleichen Grundlosigkeit ist wie die Grundumgangssprache<br />

selbst" 35 . Es ist die alte Suche nach einem selber grundlosen,<br />

daher „letzten" oder auch „ersten" Grund, die hier zum Ziel gefunden<br />

zu haben wähnt, zu einem selber unvermittelten, „alles" vermittelnden.<br />

Eine der vielen Fragen, die sich angesichts dieser Position<br />

stellen, ist es, ob dieser Weg des späten Wittgenstein in der Tat zu<br />

Marx hinführt, wie Zimmermann meint. Ein erstes Kriterium für<br />

die Beantwortung dieser Frage ist die Auffassung vom Verhältnis<br />

von Sprache und Arbeit. Zimmermanns These war: Sprache ist<br />

„gleich fundamental mit Arbeit gesetzt" 36 , beide sind „wechselweise<br />

aufeinander bezogen" 37 . In einem zögernden Anlauf, audi diese<br />

„Wechselbeziehung" näher zu bestimmen, ging Zimmermann noch<br />

einen Schritt weiter, der ihn zur Auffassung der Sprache als der Instanz,<br />

die jene andere, zunächst als gleich fundamental eingeführte,<br />

umgreift. Von dem in den Formen der Letztgegebenheit der Grundumgangssprache<br />

mitgegebenen Erfahrungsbegriff heißt es, daß er<br />

„immer schon die materielle, nichtsprachliche Form von Praxis umgreift".<br />

Nicht nur die berühmte Abbildtheorie der Erkenntnis, sondern<br />

auch die „Konstitutionstheorie" sei damit von Grund auf erledigt.<br />

Denn eine <strong>Theorie</strong> der Konstitution der Erfahrung müßte ja<br />

eine <strong>Theorie</strong> der Konstitution der Sprache sein. Die Letztgegebenheit,<br />

Grundlosigkeit macht aber Sprache zum absoluten Grund. Dem Verstand<br />

setzt diese Auffassung ausgerechnet in seinem Medium die<br />

Grenze, an der er vor einer nicht weiter verständlichen „Faktizität",<br />

die ihm seine Regeln vorschreibt, kapitulieren und diese Regeln anerkennen,<br />

ihre Letztgegebenheit kritiklos hinnehmen soll.<br />

Die Erwiderung von Meyer-Ingwersen hat mit Recht diese „wundersame<br />

Welterkenntnissprache" 38 , ihre angemaßte „Unhintergehbarkeit"<br />

und „wundersame Harmonie" von Subjekt und Objekt und<br />

den Subjekten untereinander in Frage gestellt 39 . Gleichwohl blieb<br />

aus marxistischer Sicht m. E. ein Moment von Recht auf Seiten der<br />

<strong>Argument</strong>ation von Zimmermann: der grundlegende Status, den er<br />

der Praxis einräumt, und damit die Einbindung der Erkenntnisbeziehung<br />

in den Praxiszusammenhang, in dem die bloße Erkennt-<br />

35 R. Zimmermann, Semantik, „Widerspiegelung" und marxistische<br />

Erkenntnistheorie, in: <strong>Argument</strong> 85, 16. Jg. 1974, S. 199.<br />

36 Ebda., S. 198.<br />

37 Ebda., S. 201.<br />

38 J. Meyer-Ingwersen, Mit Marx und Sprache gegen den Materialismus?<br />

Entgegnung auf Leist und Zimmermann, in: <strong>Argument</strong> 85, S. 217.<br />

39 Ebda., S. 218.<br />

DAS ARGUMENT 92/1875 ©

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