Das Argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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696 Wolf gang Fritz Haug<br />
Lehrgegenstand interessant, kommt daher nur als Kategorie, Konzept,<br />
Begriff, kurz: als Ideelles vor. Die Dialektik der Materie verengt<br />
sich folgerichtig auf „die Erkenntnis der Dialektizität des Materie-<br />
Begriffs" 78 .<br />
11. Gegen den bloß verbalen Materialismus<br />
„Seit Hegels Tod", schrieb Engels in seiner Rezension von Zur Kritik<br />
der Politischen Ökonomie 79 , „ist kaum ein Versuch gemacht worden,<br />
eine Wissenschaft in ihrem eignen, inneren Zusammenhang zu<br />
entwickeln. Die offizielle Hegeische Schule hatte von der Dialektik<br />
des Meisters nur die Manipulation der allereinfachsten Kunstgriffe<br />
sich angeeignet, die sie auf alles und jedes, und oft noch mit lächerlichem<br />
Ungeschick, anwandte. Die ganze Hinterlassenschaft Hegels<br />
beschränkte sich für sie auf eine pure Schablone, mit deren Hülfe<br />
jedes Thema zurechtkonstruiert wurde, und auf ein Register von<br />
Wörtern und Wendungen, die keinen andern Zweck mehr hatten, als<br />
.sich zur rechten Zeit einzustellen, wo Gedanken und positive Kenntnisse<br />
fehlten."<br />
Ein Blick auf eine breite Auswahl von Versuchen aus unterschiedlicher<br />
Richtung, heute marxistische <strong>Theorie</strong> zu betreiben, zeigt, daß<br />
auch die Nachfahren von Marx, Engels und Lenin nicht immer gegen<br />
ähnliche, wenngleich in diesem Fall nur vorübergehende Rückfälle<br />
gefeit sind. Den Unterschied zwischen einer Wissenschaft in ihrem<br />
eignen, inneren Zusammenhang und einem bloß verbalen Materialismus,<br />
der sich auf ein Register von Wörtern und Wendungen reduziert,<br />
mit deren Hilfe eine Anstrengung der Erkenntnis und ihrer<br />
Darstellung eingespart wird, diesen bewegungswichtigen Unterschied<br />
im Bewußtsein zu halten, kann eine Leistimg materialistischer Erkenntnistheorie<br />
sein. Da aus dem bloßen Verbalismus jede Überzeugungskraft<br />
gewichen ist, kommt dem anzustrebenden materialistischen<br />
Selbstbewußtsein, das jeden <strong>Theorie</strong>bildungsprozeß, auch jeden<br />
Darstellungsprozeß begleiten soll, praktische Bedeutung zu. Es ist ein<br />
unverzichtbares Moment sozialistischen Bewußtseins, wie es für den<br />
Parteigänger des wissenschaftlichen Sozialismus notwendig ist.<br />
Wenn ich z. B. den Nenner aller Auffassungsunterschiede und Mißverständnisse<br />
zwischen Sandkühler und mir, wie sie sich im Spiegel<br />
der <strong>Argument</strong>-Aufsätze zeigen, angeben soll, so sehe ich ihn nicht auf<br />
der Seite der Resultate, des Fürwahrgehaltenen, sondern auf der<br />
Seite dessen, was den „inneren Zusammenhang" dieser Resultate<br />
ausmacht. Doch was sind die Ergebnisse ohne ihre Ableitung? Ist das<br />
Richtige noch richtig, wenn es bloß geglaubt werden kann statt abgeleitet?<br />
Man kannn natürlich sagen: Selbst wenn das Richtige nur geglaubt,<br />
also in unrichtiger Form behauptet wird, ist es immer noch<br />
das Richtige, was da geglaubt wird. Und ist es nicht besser, daß das<br />
Richtige geglaubt wird anstelle des Falschen? Freilich, wodurch un-<br />
78 Sandkühler, Zur Begründung ..., in: <strong>Argument</strong> 77, S. 985.<br />
79 MEW 13, S. 472.<br />
DAS ARGUMENT 92/1975 ©