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Das Argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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626 Hans Jörg Sœndkiihler<br />

heit". Der Akzent wird zum Tenor. So legitim es ist, die Blickrichtung<br />

auf die „Beziehungen" zu richten, die Menschen in der Produktion<br />

eingehen, und so plausibel die Analogie von Arbeits- und Erkenntnisprozeß<br />

unter diesem besonderen Gesichtspunkt ist: zu fordern wäre<br />

die Anwendung aller Erkenntnisse über die gegenständliche Determination<br />

in der sozial-historischen Analyse; notwendig wäre es, den<br />

Materialismus voll zur Geltung zu bringen und die Erkenntnis nicht<br />

nur im Feld der „Produktionsverhältnisse" verortet zu sehen, sondern<br />

als ideelle Produktivkraft im Verhältnis zu den materiellen Produktivkräften<br />

zu untersuchen. Wie bei W. F. Haug drohen auch bei<br />

Gößler die Produktivkräfte sich zu gesetzgebenden autonomen Objektivitäten<br />

zu verselbständigen. Dieser Materialismus tendiert zum<br />

mechanischen, „praktischen", ökonomischen Materialismus und fängt<br />

so den Verlust an dialektisch-ontologischem Materialismus auf, freilich<br />

nur in Surrogat-Qualität. So werden zunehmend — sicherlich<br />

gegen Gößlers Intention — die „allgemeine" materielle, sozialformations-unspezifische<br />

„Natur" des Erkennens und die form- und inhaltsspezifischen<br />

konkreten sozial-historisch determinierten Erkenntnismanifestationen<br />

geschieden, nicht aber nur unterschieden. Fraglich<br />

ist, ob nicht gerade die logischen Bestimmungen (die Allgemeinaussagen<br />

der Erkenntnistheorie, die Ursprungskategorien dieser Wissenschaft)<br />

Widerspiegelungen der materiell-ontologischen Qualitäten der<br />

Dialektik von Sein und Bewußtsein ausdrücken. Laut Gößler treten<br />

die Formen und Inhalte der allgemeinen Natur der Erkenntnis „nirgends"<br />

konkret auf. Die Unterscheidung von realen Erkenntnisprozessen<br />

und deren kategorialer Widerspiegelung in der Wissenschaft<br />

könnte diesen Empirismus verhindern helfen. <strong>Das</strong> Anliegen der<br />

Tagung, Kriterien zur Unterscheidung individueller und gesellschaftlicher<br />

Erkenntnisprozesse zu entwickeln, muß als wichtige, über<br />

die theoretische Abstraktion „gesellschaftlicher Erkenntnisprozeß"<br />

hinaustreibende Fragestellung begrüßt werden. Laut Bericht wurde<br />

dieses Problem historisch-materialistisch angegangen. Ob aber die<br />

philosophische Erkenntnistheorie geeignet ist, die Individualisierung<br />

des gesellschaftlichen Erkenntnisprozesses zu erklären, ob dies nicht<br />

Aufgabe anderer Einzelwissenschaften der materialistischen Dialektik<br />

(der Persönlichkeitstheorie in Soziologie und Psychologie) sein müßte,<br />

ob darunter die Spezifik der Philosophie, allgemeine Gesetzmäßigkeiten<br />

zwischen Materie, Gesellschaft und Denken systematisch auszuweisen,<br />

nicht Einbußen erleidet, — Fragen, die sich stellen. Schließlich,<br />

wo auf dieser Tagung Differenzierungen angemahnt wurden (so<br />

durch R. Rochhausen), kam zur Sprache, daß „das individuelle Abbild<br />

... nicht nur subjektiv bestimmt (ist), sondern vor allem auch<br />

objektiv durch das gesellschaftlich gespeicherte Wissen bzw. durch<br />

das Wirken eines auf Klasseninteressen beruhenden Systems der<br />

Ideologie". Gößler bestritt nicht, „daß bestimmte Gesetzmäßigkeiten<br />

prinzipiell für alle Erkenntnisprozesse gültig seien". Aber welche?<br />

Laut Bericht wurde auf dieser zentralen Erkenntnistheorie-Tagung<br />

der DDR nirgends davon gesprochen, daß im dialektischen Konzept<br />

„Materie/Abbild" diese „bestimmten" Gesetzmäßigkeiten und deren<br />

D AS ARGUMENT 92/1975 ©

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